Zusammenfassung
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über wichtige Aspekte unterschiedlicher
Einstellungen zu Familienindikatoren und fokussiert dabei besonders die divergierenden
Bewertungen der Themen Schwangerschaftsabbruch und Vereinbarkeit von Kindererziehung
und Berufstätigkeit. Die Auswertung basiert auf Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage
der Sozialwissenschaften (ALLBUS) aus dem Jahr 2000. Diese basierte auf dem Ziel,
sozialen Wandel - oder auch Konstanz - in unterschiedlichen Schwerpunktbereichen darzustellen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Einstellungen zu den Themen Familie, Berufstätigkeit
und Schwangerschaftsabbruch nach wie vor gravierend unterscheiden. In den neuen Bundesländern
ist es viel selbstverständlicher, dass Familie und Berufstätigkeit miteinander vereinbart
werden, als in den alten Bundesländern. Befragt nach der Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch
geben 70 % der Ostdeutschen, aber nur 38 % der Westdeutschen an, diesen weniger bzw.
überhaupt nicht schlimm zu finden. Ähnliche Differenzen werden bei der Frage, ob Schwangerschaftsabbruch
grundsätzlich gesetzlich möglich sein sollte, deutlich.
Was bei der Interpretation der Ergebnisse auffällt, ist die in vielen Aspekten traditionellere
Haltung vor allem der Männer in den alten Bundesländern; hierfür können sowohl eine
unterschiedliche Sozialisation, aber auch differente soziostrukturelle Gegebenheiten
als Erklärung dienen.
In den neuen Bundesländern fallen bei der Bewertung der Items sehr stark gesellschaftliche
Bedingungen und ökonomische Defizite ins Gewicht. Dies zeigt sich auch in einer starken
Ambivalenz zwischen idealer Lebensweise und Kinderzahl und deren Realisierung. Im
Gegensatz dazu existiert in den alten Bundesländern ein eher homogenes Einstellungsbild
zu Zukunftsaussichten und dem Wunsch, in einer Familie zu leben.
Abstract
Existing differences between East and West Germany could still be observed in 2000,
which are also evident when considering the differencies in certain attitudes towards
the family. This article explores the compatibility of a family and a career and the
attitudes towards abortion. The analysis is based on the data collected by ALLBUS
in 2000 and aims to explore social changes or the lack of them in Germany since 1990.
Results show that there are still enormous differences with regard to the attitudes
towards family, employment and abortion. In East Germany, family and career are combined
by women as a matter of course to a far greater degree than in West Germany. Asked
about their attitude towards abortion, 70 % of the respondents in the newly formed
German states, but only 38 % in West Germany considered it a less serious matter or
not serious at all. Similar differences were found when considering the question whether
abortion should be legally permitted. To interprete these results the different socialisation
in East and West Germany as well as different social and structural conditions have
to be considered.
In the newly formed German states social conditions and economic deficits carry a
lot of weight in the evaluation. This can also be observed in the strong ambivalence
between an ideal life and family and their realisation. In West Germany, a more homogeneous
estimate of future prospects and the wish to live in a family are found instead.
Schlüsselwörter
Familienplanung - Schwangerschaftsabbruch - Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und
Familie
Key words
Family planning - abortion - compatibility of career and family
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Yve Stöbel-Richter Elmar Brähler
Selbstständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
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Stephanstraße 11
04103 Leipzig
Email: yve.stoebel-richter@medizin.uni-leipzig.de
Email: elmar.braehler@medizin.uni-leipzig.de