Hintergrund: Public Health Genetics ist ein in Deutschland noch kaum etabliertes Gebiet, das derzeit international eine rasante Entwicklung durchläuft. Die Fortschritte der Genetik werden die öffentliche Gesundheitsversorgung massiv herausfordern. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Rationalisierung im öffentlichen Gesundheitswesen eine zwingende Forderung und Rationierung von Gesundheitsleistungen keine Tabuthemen mehr sind, ist die Prognose von Krankheitswahrscheinlichkeiten von weitreichender Relevanz für die weitere Entwicklung im öffentlichen Gesundheitssektor. Ziel: Angesichts der hohen Dynamik dieser Entwicklung sollen deutsche Gesundheitspolitiker zeitnah auf die von ihnen geforderte Entscheidungs- und Handlungskompetenz angesprochen werden. Methoden: Im Rahmen der Task Force „Public Health Genetics“ am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld (http://www.public-health-genetics.org) sowie während eines internationalen Symposiums „Public Health Genetics – Experiences and Challenges“ im Februar 2004 in Bielefeld wurden gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen für Deutschland mit Experten der anglo-amerikanischen Public Health Genetics sowie mit Vertretern der Europäischen Kommission in Form eines Policy Papiers „Public Health Genetics“ formuliert. Ergebnisse: Die molekulare Medizin wird nicht mehr nur auf der individualmedizinischen Ebene angewandt, sondern wird auch Politik und Praxis der öffentlichen Gesundheit nachhaltig und tiefgreifend beeinflussen. Das Policy Papier sensibilisiert für die möglichen Chancen, aber auch Risiken der Integration genetischer Interventionen in die Zielsetzung von Public Health (assessment). Es gibt Empfehlungen für erfolgreiche und sozial akzeptable Handlungsstrategien und skizziert Handlungskorridore (policy development). Es benennt Mittel und Wege zur strategischen Umsetzung und Evaluation in Politik und Praxis (assurance). Diskussion: Eine zielgerichtete Berücksichtigung genetischer Informationen bei Maßnahmen der Gesundheitsversorgung und -sicherstellung wird eine der wichtigsten zukünftigen Herausforderungen für das gesamte deutsche Sozial- und Gesundheitswesen sein. In einer sich immer stärker internationalisierenden Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft kann Deutschland die weit fortgeschrittene Entwicklung genetischer Anwendungen in Medizin und öffentlicher Gesundheit nicht ignorieren. Kapazitäten, die vorhanden sind, müssen und können genutzt werden. Schlussfolgerungen: Jetzt können die Weichen für einen verantwortlichen und nachhaltigen Umgang mit genetischem Wissen in der deutschen Gesundheitsversorgung gestellt werden. Diese Integration eröffnet großes Potenzial für Verbraucherschutz, medizinische Behandlung, Prävention und öffentliche Gesundheit.
