Hintergrund: Die Anzahl der infolge eines Suizids Verstorbener übersteigt bei weitem die Anzahl
der Verstorbenen infolge von Verkehrunfällen. Betrachtet man dazu noch die Anzahl
der Suizidversuche, so stellt dies ein nicht zu unterschätzendes gesellschaftliches
Problem dar, wobei Amitriptylinvergiftungen zu den häufigsten Intoxikationen gehören.
Im Folgenden möchten wir den Fall einer Patientin darstellen, die in suizidaler Absicht
das 2,5fache einer letalen Dosis Amitryptilin zu sich genommen hatte und bei der es
zu schwerwiegenden Komplikationen kam.
Kasuistik: Eine 49-jährige Patientin wurde nach einem beobachteten Suizidversuch durch Einnahme
von ca. 50 Tabletten a 50mg Amitryptilin durch einen Rettungswagen vigilanzgestört
(GCS: 8) ohne Notarztbegleitung, venösen Zugang und adäquatem Monitoring in ein Krankenhaus
transportiert. Im Verlauf der sofort in Allgemeinanästhesie durchgeführten Magenspülung
traten plötzlich schwerwiegende Komplikationen auf, die in eine protrahierte Reanimation
mündeten: Bei ausgeprägten Elektrolytverschiebungen (Na+: 129 mmol/l, K+: 3,28 mmol/l, Gesamt-Ca: 1,78 mmol/l) sowie einer metabolischen Azidose (pH 7,23,
HCO3: 17 mmol/l, Baseexzess von –8,7) kam es nach initialer Hypertonie zu Blutdruckkrisen
mündend in eine schwere Hypotonie, pulslosen ventrikulären Tachykardien mit Übergang
in Kammerflimmern. Nach mehrfacher Defibrillation, Magenspülung, Applikation von Carbo
medicinalis, Ausgleich der Elektrolyte und des Säure-Basen-Haushaltes sowie antiarrhythmischer
Therapie stabilisierte sich die Patientin. Die toxikologische Untersuchung bestätigte
die Intoxikation mit Amitryptilin, wobei die Serumprobe, die bei Aufnahme abgenommen
wurde, einen Serumspiegel von 2500µg/l zeigte (ther. Bereich: 50–300µg/l). Die Patientin
konnte nach 5-tägiger intensivmedizinischer Therapie entlassen werden.
Schlussfolgerung: Aufgrund der potenziellen schweren Komplikationen dieser Intoxikation sind folgende
Maßnahmen zu fordern: Notarzteinsatz, präklinische Anlage eines venösen Zuganges,
kontinuierliches Kreislaufmonitoring, bei schwerer Intoxikation präklinische Magenspülung
und Gabe von Aktivkohle nach vorheriger Intubation und Beatmung bei Somnolenz und
Bewusstlosigkeit sowie kontinuierliche Defibrillationsbereitschaft. Auch stabile Patienten
sollten wegen der möglichen kardialen und pulmonalen Komplikationen intensivmedizinisch
überwacht werden.
Literatur: 1. Power BM et al. (1995) Clin Pharmacokinet 29: 154–171.