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DOI: 10.1055/s-2004-861665
Suchtbekämpfung oder Bekämpfung von Süchtigen – aus klinischer Sicht
Bekämpft werden üblicherweise Feinde, Gegner, Katastrophen, Epidemien, Schwächen, Widerstände, Hemmnisse, Laster (auch schon einmal Tugenden!). Bei der erfolgreichen Bekämpfung des Süchtigen würde in einem Handstreich die Sucht gleich miterledigt, also warum sich bei der Suchtbekämpfung aufhalten?! Der Kampf und die Vernichtung könnten in Form aktiven Tuns vorgenommen werden, unauffälliger aber in der Variante der Unterlassung, der Nichtbeachtung, der Toleranz, der Wiedergewinnung der Selbstverantwortlichkeit oder der möglichst unübersichtlichen Zuständigkeitsvielfalt. Alles ist geregelt, aber das Regelwerk greift nicht! Geschweige denn, dass der verregelte Süchtige selbst Einfluss nehmen könnte. Zu bekämpfen gilt es auch das Unerklärliche, das Unheimliche, das unklar Ambivalente, das Rätselhafte, das Triebhafte, die Schuld, die Schwäche, je mehr wir selbst es in uns spüren, desto eher ist es beim Anderen angreifbar. Anomische Zustände in therapeutischen und zwischenmenschlichen Konstellationen werden konterkariert durch patientenferne und zunehmend erfahrungsfreie Dienste, die in ku-klux-klanhafter Anonymität die Vollstreckung von (Kosten-)Urteilen an die Behandler verfügen: „Der (stationäre) Hahn wird abgedreht am Tage X!! Sehen Sie zu, wie Sie Ihrem Patienten das beibringen, motivieren Sie ihn aber dringlich, sein Krankheitsbild so auszugestalten, dass ein anderer Kostenträger, am besten aber keiner, zuständig wird!!!“ Es nimmt nicht Wunder, dass die vermeintlich zu erzielenden Einsparungen durch Kostenübernahmeverweigerung bzw. Therapieverkürzung gerade bei den Süchtigen geübt wird, weil nämlich deren Psychodynamik sich dafür anbietet und sie üblicherweise einen „schnörkellosen Alkoholikertod sterben“ (M. Pfister), – und das vor Rückgriff auf die Rentenkasse.