Übersicht
Die Studie, die auf der Auswertung von 22 Begutachtungsfällen von älteren, wegen sexuellen
Missbrauchs von Kindern angeklagten Männern basiert, rekonstruiert wichtige Dimensionen
der Lebensverläufe von strukturierten Pädosexuellen. Nachgegangen wird unter anderem
Fragen nach der Struktur und der Frequenz pädosexueller Kontakte im mittleren und
höheren Lebensalter und deren sozialen Kontexten. Dabei zeigte sich, dass bereits
die mit etwa 20 Jahren beginnende Delinquenz und die sich daran anschließenden Verurteilungen
und Haftstrafen zu einer sozialen Marginalisierung führen, welche die Rückfälligkeit
begünstigt. Dieser biographische Bruch führt zu beruflichem Abstieg und einer erheblichen
Einschränkung von sozialen Beziehungen. Damit einher geht eine Bedeutungszunahme der
Kontakte mit Kindern, wobei sich in höherem Lebensalter jedoch eine Tendenz zur Anonymisierung
und Promiskuität pädosexueller Kontakte zeigt. Abschließend werden differenzialdiagnostische,
psychiatrische und juristische Aspekte des Phänomens Pädosexualität erörtert, wobei
vor allem die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung pädosexueller
Männer diskutiert wird.
Schlüsselwörter
Forensik; - Lebensverläufe von pädosexuellen Männern; - Pädosexualität; - Sexualstraftäter;
- sexueller Missbrauch
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1 Allerdings ging es bei diesen Untersuchungen nicht um eigentlich Pädophile, sondern
um Straftäter, bei denen es auch zu sexuellem Missbrauch von Kindern gekommen war.
Auch in Deutschland wurde in jenen Jahren sehr häufig eigene Missbrauchserfahrung
von Straffälligen angegeben, häufig wenig substanziiert. Diese Neigung lässt inzwischen
erkennbar wieder nach.
2 § 20 StGB: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften
seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns
oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat
einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. § 21 StGB: Ist die Fähigkeit des
Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem
der in § 20 [StGB] bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert,
so kann die Strafe nach § 49 [StGB] Abs. 1 gemildert werden.
Dr. med. Frank Wendt
Prof. Dr. med. Hans-Ludwig Kröber
Institut für Forensische Psychiatrie Charité - Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin
Franklin
Limonenstr. 27
12203 Berlin
Email: Frank.Wendt@charite.de
Email: Hans-Ludwig.Kroeber@charite.de
URL: http://www.forensik-berlin.de