RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-2005-836767
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Unternehmenswert sporttherapeutischer Praxen
Teil 1Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
12. August 2005 (online)

Mehr und mehr Sporttherapeuten wagen aus dem Status des Angestellten den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit. Veranlasst werden sie durch den Abbau von Arbeitsplätzen, durch die Schaffung von Ich-AGs und durch die stets wachsende Erkenntnis, dass man die erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten als selbstständiger Unternehmer einer annehmbereiten Klientel als Dienstleistung anbieten könnte. Mit der Entwicklung eines sporttherapeutischen Unternehmertums entwickeln sich sporttherapeutische Praxen als erwerbsfähige, veräußerbare und damit handelsfähige Einrichtungen, die mit dem erfolgreichen Fortbestand ihrer Existenz einen selbstständigen Wert annehmen, der als Preis die Messlatte für jenen Unternehmenswert darstellt.
Es ist weitgehend unbekannt, wie der korrekte Preis für ein solches Unternehmen im Gesundheitswesen zu ermitteln ist, sei es nun, dass eine erfolgreich betriebene Praxis zum Verkauf angeboten oder eine Praxis von einem Neueinsteiger erworben werden soll. Die Rechtsprechung formulierte bereits im Jahre 1972 einen allgemeinen Grundsatz: „Der Wert […] entspricht dem Preis, der für das Unternehmen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bezahlt werden würde = Verkehrswert”. Viel weiter hilft die durch diesen Satz vermittelte Erkenntnis auch nicht. Man wird also eine Formel zu finden haben, mit der die Zahlbereitschaft im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ermittelbar wird.
Diese Formel muss praxisbezogen sein, d. h. sie darf sich nicht wegbewegen von der in der Praxis feststellbaren Zahlungsbereitschaft eines bestimmten Preises für das Unternehmen oder bestimmte Unternehmensteile. Welche Unternehmensteile könnten einer selbstständigen Bewertung zugänglich sein? Zunächst einmal alle die Gegenstände, die Funktionalität des Unternehmens erst ermöglichen, wie beispielsweise Praxisraum, Therapiegeräte, Messeinrichtungen, Trainingseinrichtungen, aber auch Beleuchtungskörper, Jalousien usw. Diese Gegenstände - ein Kaufmann würde sie Gegenstände des Anlagevermögens nennen - bilden einen Teil des Substanzwertes eines Unternehmens. Es dürfte nicht schwer fallen, diese Gegenstände listenmäßig zu erfassen und ihren Verkehrswert (den Betrag, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr hierfür bezahlt würde) festzustellen. So wie ein gebrauchtes Kraftfahrzeug einen durchschnittlich ermittelbaren Wert besitzt, ist ein solcher auch für ein gebrauchtes Trainingsgerät feststellbar. Zu den Gegenständen des Substanzwertes dürften nicht nur die sächlichen (anfassbaren) Gegenstände zählen, sondern auch Forderungen und andere Rechte, die jedoch im Falle einer Unternehmensbewertung seltener anzutreffen sind. Bei der Feststellung des Unternehmenswertes treffen wir also zunächst auf einen Substanzwert, sodass ein Teil der gesuchten Unternehmenswertformel lauten müsste:
Unternehmenswert = Substanzwert
Der Substanzwert kann nicht das allein Prägende des Unternehmenswertes sein, sonst hätten Verkaufshinweise wie „10 Jahre bestehendes Unternehmen” oder „angeschlossen an den Olympiastützpunkt” keinen Sinn ergeben. Mit solchen Hinweisen wird auf eine bestehende und auch in der Zukunft noch erwartete Klientel hingewiesen, auf einen schwer fassbaren und nur bedingt einer Definition zugänglichen Wert, der in der frühen englischen Betriebswirtschaft beschrieben wurde mit dem Satz: „The old client returns to the old position”. Dieser Unternehmenswert ist eine Zukunftsgewinnerwartung, genannt Geschäftswert oder Goodwill. Der Geschäftswert oder Goodwill wird natürlich nicht in ein Unternehmen eingespielt durch bloßen Ablauf einer bestimmten Anzahl von Existenzjahren, sondern durch die stets neuen und das Unternehmen belebenden Impulse, die vom Unternehmer ausgehen. Diese Impulse schaffen einen sog. Übergewinn. Dieser Begriff ist leicht erklärt. Die berufliche Leistung eines Sporttherapeuten wird bei einer Leistungsabgabe im Angestelltenverhältnis durch das Gehalt des Arbeitgebers entlohnt. Sind die angebotenen Leistungen von Angestellten gleicher oder vergleichbarer Art gleichwertig, so wird (mit Ausnahme von örtlichen Schwankungen) das hierfür gezahlte Entgelt ebenfalls vergleichbar sein. Es kann also ein entsprechender Betrag für beispielsweise Köln und Kaufbeuren ermittelt werden. Würde ein selbstständiger Unternehmer mit vergleichbaren Leistungsangeboten an den genannten Stellen keine höheren Gewinne erzielen, so wäre das dort betriebene Unternehmen (außer dem vorerwähnten Substanzwert) wertlos. Der keine höheren Erträge erwirtschaftende Unternehmer würde sinnvollerweise seinen Lebensunterhalt in abhängiger Beschäftigung verdienen. Hierbei würde ihn nicht ein zusätzliches unternehmerisches Risiko begleiten. Erwirtschaftet der Unternehmer mit seinem Geschäftsbetrieb jedoch einen höheren Gewinn, so erzielt er das, was die Betriebswirtschaft Übergewinn nennt. Dieser Übergewinn entsteht bei der Umsetzung jener Denkanstöße und Impulse, die vom erfolgreichen Unternehmer auf ein Unternehmen ausgehen und im Laufe der Jahre (wenn keine negativen Einflüsse von außen einwirken) für einen stetigen Wertanstieg sorgen. Da der durch die Arbeit am Patienten oder Kunden erwirtschaftete Gewinn (gleichgesetzt mit dem angemessenen Gehalt eines Angestellten in gleicher Tätigkeit) vom Selbstständigen nicht als abgezählter Ertrag erwirtschaftet wird, sondern rechnerisch nur aus einem Gesamtertrag zu ermitteln ist, nennen man einen Betrag dieser Größe kalkulatorischen Unternehmerlohn. Er existiert nur in einer abstrakten Kalkulation. Weicht der tatsächliche durch das Unternehmen erwirtschaftete Ertrag vom kalkulatorischen Unternehmerlohn ab, so ist ein diesen übersteigender Betrag der sog. Übergewinn. Im Bereich des Geschäftswertes oder Goodwill ist also der Übergewinn eine Orientierungsgröße zur Fixierung dieses Unternehmensteilwertes.
Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist jedoch nicht die einzige Rechengröße, die vom Übergewinn in Abzug gebracht wird. Die durch Kauf oder kaufähnliches Geschäft erworbenen Gegenstände des Substanzwertes kosteten insgesamt einen bestimmten Geldbetrag. Wären sie nicht angeschafft worden, so könnte dieses Geld Zinsen erwirtschaften. Durch die Anschaffung wurde dieser Zinsertrag unmöglich. Daher ist ein Zinsertrag aus dem Kaufpreis der Gegenstände des Substanzvermögens auch vom Übergewinn in Abzug zu bringen.
Bis hierhin ergibt dies folgende Rechnung:
Gesamtgewinn abzüglich kalkulatorischer Unternehmerlohn abzüglich Zinsertrag aus dem Aufwand zum Erwerb der Gegenstände des Substanzwertes
Formelhaft ausgedruckt:
E ./. kalk. UL ./. i × SW
Die vorstehenden Zahlen beziehen sich alle auf ein Jahr. Der geschaffene Übergewinn kann jedoch mehrere Jahre andauern, bis dass er sich (wenn er keinen neuen Nachschub erhält) verflüchtigt. Die Betriebswirtschaft berechnet für die Unternehmen der Mitglieder der freien Berufe im Gesundheitswesen eine Übergewinndauer zwischen einem und maximal neun Jahren. Die Kriterien der den Übergewinn fixierenden Jahreszahl werden in B & G 5/2005 mitgeteilt. An dieser Stelle soll nur noch festgestellt werden, dass der Übergewinn (als Kennzeichnung für ein einzelnes Jahr) festgelegt werden kann, weil die Zukunftsgewinne ja erst im Laufe der Zukunft nach und nach anfallen und abgezinst werden müssen. Hierfür steht der Rentenbarwertfaktor, der aus einer bestimmten Anzahl von Übergewinnjahren und einem aktuellen Zinssatz gebildet wird. Ohne bislang den Geschäftswert oder Goodwill exakt errechnen zu können, ist es an dieser Stelle schon für jeden Inhaber einer eigenen Einrichtung möglich festzustellen, ob ein Geschäftswert oder Goodwill existiert. Hierzu wäre nur die Formel mit den konkret ermittelbaren Zahlen auszufüllen:
Goodwill oder Geschäftswert = Rentenbarwertfaktor [gebildet aus Anzahl der Übergewinnjahre und dem aktuellen Zinssatz] (tatsächlich erzielter Gewinn abzüglich kalkulatorischer Unternehmerlohn abzüglich theoretischem Zinsertrag aus dem Preis für den Erwerb der Gegenstände des Substanzwertes [gerechnet mit aktuellen Habenzinsen]).
Der Unternehmenswert einer sporttherapeutischen Einrichtung ist also verhältnismäßig einfach mit Zahlen zu ermitteln, die die vom Sporttherapeuten geschaffene Einrichtung ohne große Mühe preiszugeben imstande sind. Sowohl für den Erwerb einer solchen Einrichtung, als auch für den Eintritt in eine solche Einrichtung oder um den jeweiligen Wert einer solchen Einrichtung zu ermitteln, ist daher die folgende Gesamtformel heranzuziehen:
Unternehmenswert = Substanzwert + Rentenbarwertfaktor (Gesamtgewinn ./. kalkulatorischer Unternehmerlohn ./. Zinsertrag aus dem Anschaffungspreis für den Erwerb der Gegenstände des Substanzwertes)
Als Formel:
UW = SW + Rbf (E ./. kalk. UL ./. i × SW)
An dieser Stelle ist also jeder Inhaber einer Einrichtung schon in der Lage festzustellen, wie hoch der Substanzwert seiner Einrichtung ist und ob Geschäftswert oder Goodwill für die Einrichtung besteht, der zunächst nur für ein Jahr ermittelt werden kann.
In B & G 5/2005 werden Details über die Bemessung der Übergewinnjahre mitgeteilt, sodass aufgrund einer weiteren Erläuterung des Rentenbarwertfaktors und seiner ihn prägenden Faktoren der konkrete Wert einer sporttherapeutischen Einrichtung für den jeweiligen Inhaber ermittelbar wird.
Fortsetzung und Schluss in B & G 5/2005
Korrespondenzadresse
Dr. E. Boxberg
Justiziar des DVGS e. V.
Vogelsanger Weg 48
50354 Hürth
eMail: info@dr-boxberg.de