Zusammenfassung
Jugendliche zeigen in Deutschland einen hohen Konsum von psychoaktiven Substanzen
und weisen vor allem in Bezug auf Tabak und Alkohol einen frühen Einstieg auf. Weitgehend
unbeachtet ist bislang jedoch die Interdependenz des Konsums verschiedener Substanzen
in der Frühphase des Erwerbs der Konsumgewohnheiten geblieben. Für diejenigen Jugendlichen
im Alter zwischen 11 und 16 Jahren, die an einer großen repräsentativen Untersuchung
an Schulen in NRW teilgenommen haben, fanden sich für die Starkkonsumenten von Tabak
und Alkohol Interdependenzen hochfrequenten Konsums zwischen 26,1 % (Tabak - Alkohol)
und 53,2 % (Alkohol - Tabak). Starkkonsumenten von Alkohol oder Tabak weisen jeweils
zu etwa einem Drittel auch regelmäßigen Cannabiskonsum auf. Die Interdependenzen zwischen
starkem Alkohol- und Tabakkonsum, starkem Alkohol- und Cannabiskonsum sowie starkem
Tabak- und Cannabiskonsum sind für männliche Jugendliche deutlich höher als für weibliche
Jugendliche. Lediglich die Interdependenz zwischen starkem Tabak- und starkem Alkoholkonsum
weist keine geschlechtsspezifischen Unterschiede auf. Präventions- und Hilfemaßnahmen
müssen sich stärker auf Jugendliche mit starkem Parallelkonsum verschiedener Substanzen
konzentrieren, geschlechtsspezifische Besonderheiten berücksichtigen, frühzeitig und
umfassend einsetzen, um entscheidende und dauerhafte Veränderungen zu erreichen. Eine
der wichtigsten präventiven Aufgaben ist der Erwerb affektiver Selbstkontrolle und
-steuerungsfähigkeit.
Abstract
In Germany, children and adolescents display a high rate of substance use, esp. of
tobacco and alcohol. However, little attentionhas been paid so far to the interdependence
of concurrent substance use in the early phase of acquiring substance use habits.
The results of a large study on minors aged 11 to 16, representatively drawn from
the student population in North Rhine-Westphalia are reported. For the heavy tobacco
and alcohol users, there is a concurrence rate of 26.1 % (tobacco-alcohol) and 53.2
% (alcohol-tobacco) respectively. One third of the high-frequency users of alcohol
or tobacco are also regular cannabis users. Interdependence between heavy alcohol
and tobacco use, alcohol and cannabis use, and tobacco and cannabis use is much higher
in young males than in young females. Only the interdependence between heavy tobacco
and alcohol use does not present any gender differences. Prevention and support programmes
must focus more strongly on minors with concurrent use of several substances taking
gender specific differences into consideration. Interventions must start early and
should be comprehensive in order to reach decisive and permanent changes. One of the
most important preventive measures is to encourage minors to acquire affective self
control and self management.
Schlüsselwörter
Kinder - Jugendliche - Substanzmissbrauch - Parallelgebrauch - Risikoverhalten - Prävention
Key words
Children - adolescents - substance abuse - concurrent use - risk behaviour - prevention
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