manuelletherapie 2005; 9(2): 57-58
DOI: 10.1055/s-2005-858138
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

C. Beyerlein
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. April 2005 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Manuelle Therapie ist ein Teilgebiet der Physiotherapie -, das ist bekannt. Innerhalb der Manuellen Therapie gibt es zahlreiche, zum Teil konkurrierende, um die Gunst von jungen Physiotherapeuten „kämpfende” so genannte Konzepte -, auch das ist bekannt. Die „alten Hasen” unter den Manualtherapeuten wissen allerdings, dass ein bloßes Berufen auf die Inhalte eines Konzepts kurzsichtig und sogar naiv ist. Bei der Behandlung von neuromuskuloskelettalen Beschwerden zählt nicht der „Name” einer Technik, sondern welche Technik je nach Befund am besten geeignet ist. Und da gibt es bekanntlich mehrere Techniken mit dem gleichen oder ähnlichen Effekt aus verschiedenen Konzepten, gleich welchen Namens.

Wir als Herausgeber dieser Zeitschrift verkörpern gewissermaßen ein ganzheitliches Konzept in Manueller Therapie. Ein Konzept (lat. conceptus) ist auch das „Zusammenfassen” mehrerer Teilkonzepte zu einem Ganzen. Eigenlob stinkt bekanntlich, aber - erlauben Sie, dass ich das einfach so sage - wir als Herausgeber der manuelletherapie verfolgen diese Strategie vorbildlich. Unsere Wurzeln in Manueller Therapie könnten unterschiedlicher nicht sein. Dennoch sind wir gerade deshalb eine wunderbare Gemeinschaft, da wir zwar konstruktive Kritik üben, die Meinung der anderen aber stets respektieren.

Wir sind darum bemüht, Ihnen ein breites Spektrum zu liefern, ohne auf Trends und explizit auf bestimmte Konzepte einzugehen. Im Rahmen der Professionalisierung unseres Berufes ist zu hoffen, dass seitens der Fachhochschulen besonders auf Evidenz-basiertes Arbeiten, Clinical-Reasoning-Prozesse und Diagnostik eingegangen und im Gegenzug auf klassisches Konzeptdenken verzichtet wird. Und noch etwas: Wir würden uns freuen, wenn die großen Fachverbände und Organisationen innerhalb der Manuellen Therapie Eitelkeiten ablegten, sich an einen gemeinsamen Tisch setzten und an einem Strang zögen.

Eine Aufgabe der manuelletherapie ist es auch, Ihnen Bereiche vorzustellen, die vom Bekanntheitsgrad nicht mit Maitland, Kaltenborn-Evjenth oder Cyriax zu vergleichen, aber besonders in angloamerikanischen Ländern ein fester Bestandteil der manualtherapeutischen Aus- und Fortbildung sind. Der Grund für die geringere Verbreitung dieser Bereiche liegt möglicherweise in der fehlenden Möglichkeit, mit Weiterbildung eine Zertifikationsposition in Manuelle Therapie zu erwerben. Für viele Physiotherapeuten war und ist aber das Erreichen einer Abrechnungsposition ein Kriterium für die Wahl der Weiterbildung.

Ich spreche von der Mobilisation with movement nach Brian Mulligan, einem - wie ich erfahren konnte - wichtigen Mosaikstein im therapeutischen Repertoire der Manuellen Therapie. Wichtig auch, weil zu dem „Steinchen” kontinuierlich geforscht wird, um wissenschaftliche Evidenz in der Physiotherapie nachzuweisen. Dazu später mehr.

Auckland, die größte Stadt Neuseelands (Abb. [1]), war vom 03. - 07. März 2005 Austragungsort eines Treffens der Mulligan Concept Teachers Association (MCTA). Die internationalen Konferenzen finden alle 2 Jahre statt und dienen der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Ausbildung und der Einführung neuer Lehrer in Manueller Therapie. Zurzeit besteht die Gruppe aus 42 Lehrern, die weltweit Mulligans Therapie und das dazu gehörende Theoriemodell weitervermitteln und von denen 3 Instruktoren in Deutschland unterrichten (Abb. [2]). Alle Lehrer besitzen einen internationalen Standard (IFOMT) in Manueller Therapie und müssen weitere Richtlinien erfüllen (Application of membership), um in der Gruppe aufgenommen zu werden.

Abb. 1 Blick auf Downtown Auckland/Neuseeland „City of Sails”.

Abb. 2 Die 3 Mulligan-Instruktoren aus Deutschland Johannes Bessler, Claus Beyerlein und Carole Stolz (v. l.). sowie der Präsident der MCTA Brian Mulligan (2.v. r.).

Der 1. Konferenztag stand ganz im Zeichen der Vorstellung von Brian Mulligans in der 5. Auflage erschienenem neuen Buch und der Demonstration neuer Techniken. Am 2. Tag wurden weitere Techniken praktisch geübt, bevor am Nachmittag an der Auckland University of Technology ein wissenschaftliches Symposium stattfand. Unter den Zuhörern waren neben den Mulligan-Lehrern auch Studenten des Studiengangs Master of Physiotherapy der Auckland University of Technology. Themen waren z. B. die folgenden, bereits oder zukünftig in renommierten Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten:

Robinson K, et al: Mulligan Fibular Repositioning Tape and the Prevention of Ankle Injury; Hall T, et al: The Immediate Effect on Range of Rotation of the C1/C2 Rotation SNAG in Subjects with Cervicogenic Headache; Beyerlein C, et al: The Efficacy of the Mulligan Traction Straight Leg Raise Technique on Range of Motion in Patients with Low Back Pain

Am 3. Tag leitete Brian Mulligan einen Kurs vor 68 interessierten neuseeländischen Physiotherapeuten. Dies ist insofern bemerkenswert, als Manuelle Therapie nach Brian Mulligan in Neuseeland Bestandteil des Bachelor of Science (BSc) in Physiotherapie ist.

Der 4. und 5. Tag waren dem eigentlichen Meeting vorbehalten. Hier ging es recht politisch zu. So wurden z. B. die Richtlinien für neue Mitglieder erstellt oder die Einführung des Certified Mulligan Practitioner (CMP) in den USA präsentiert. Außerdem trafen sich alle Mitglieder ihrer Regionalgruppe, um spezielle Probleme in den einzelnen Regionen zu erörtern. Zu guter Letzt gibt es ein „Wissenschaftliches Komitee” innerhalb der MCTA, das über die finanzielle Förderung bestimmter Projekte entscheidet. Mitglieder dieses Komitees sind Rick Crowell/USA, Toby Hall/Australien, Dr. Wayne Hing/Neuseeland und Claus Beyerlein/Europa.

Studenten, die ihre Bachelor- oder Master-Arbeit planen und sich beispielsweise mit der Effektivität einer Behandlungstechnik klinisch auseinandersetzen möchten, sind aufgefordert, sich an das wissenschaftliche Komitee der MCTA zu wenden. Einzige Bedingung: Die Studie muss einen Bezug zum Mulligan-Konzept haben, um finanziell gefördert zu werden. Weitere Informationen unter: www.bmulligan.com oder direkt bei Claus Beyerlein unter der E-mail: info@physiotherapie-beyerlein.de.

Nun lade ich Sie ein, den physiokongress in Aachen vom 05. - 07. Mai 2005 zu besuchen - den Kongress im Jahr 2005 von Physiotherapeuten für Physiotherapeuten. Neben zahlreichen spannenden Vorträgen und Seminaren sind Sie aufgefordert, mit den Herausgebern der Zeitschrift manuelletherapie in der Autorenlounge zu „plaudern” und hartnäckig zu diskutieren -, vielleicht über ein einheitliches Manuelle-Therapie-Konzept in Deutschland!

Claus Beyerlein

Michel-Erhart-Weg 10

89081 Ulm

eMail: info@physiotherapie-beyerlein.de

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