physioscience 2005; 1(3): 133-134
DOI: 10.1055/s-2005-858447
Bericht aus Forschung und Lehre

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Europäisches Kolloquium zur qualitativen Forschung in den Gesundheitsberufen an der University of East Anglia, Norwich

A. Probst1
  • 1HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Oktober 2005 (online)

Vom 7. bis 8. April dieses Jahres fand an der School of Allied Health Professions der University of East Anglia, Norwich das 1. europäische Treffen zur qualitativen Forschung in den Gesundheitsberufen statt. Barbara Richardson, Hochschullehrerin und eine der Protagonistinnen des WCPT bei der Etablierung qualitativer Forschungsmethoden in der Physiotherapie, hatte im Rahmen der Professional Development Courses der Universität interessierte Kolleginnen und Kollegen zu diesem Kolloquium eingeladen. Das Treffen bot die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die eingebrachten Forschungsprojekte kennen zu lernen und daran zu arbeiten.

Die Gruppe der Teilnehmer war bunt gemischt. Kolleginnen und Kollegen aus Schweden, Norwegen, England und Deutschland beschäftigten sich intensiv in einer angenehmen und produktiven Atmosphäre auf dem Universitätscampus. Die Forschungsprojekte wurden in einer 15-minütigen Präsentation vorgestellt, gleich, ob sie sich noch in der Entwicklung, im Forschungsprozess selbst oder kurz vor der Veröffentlichung befanden. Danach folgten jeweils 30-minütige Peer-review discussions.

Das Kolloquium verfolgte Zielsetzungen auf mehreren Ebenen.

Zunächst zielte es auf der sozialen Ebene darauf ab, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Gesundheitsberufen unterschiedlicher Länder miteinander bekannt zu machen. Dieses Anliegen ist in zweierlei Hinsicht sehr gut gelungen: einerseits durch die gemeinsame Arbeit und andererseits durch ein Social Event am Abend in einem schönen Restaurant in Norwichs hübscher Altstadt. In den Gesprächen wurde dabei deutlich, wie fruchtbar eine stärkere europäische Zusammenarbeit wäre, vor allem mit Blick auf die Vernetzung bereits vorhandener wissenschaftlicher Aktivitäten in den einzelnen Ländern. Außerdem stellte sich heraus, dass man wenig bis gar nicht voneinander weiß, zu welchen Themen aktuell gearbeitet wird.

Auf der fachlichen Ebene wurde das breite Themenspektrum qualitativer Forschung in den Gesundheitsberufen aufgefächert. Angefangen bei einer explorativen Studie über die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Einsichten von Physiotherapeuten und adoleszenten männlichen Patienten mit Muskeldystrophie hinsichtlich physiotherapeutischer Interventionen (Helen Dowden, England), über die Relevanz qualitativer Forschung für die Entwicklung praktischen Wissens in den Gesundheitsberufen (Barbara Richardson, England) bis hin zu der Fragestellung, wie soziale Konstruktionen des Geschlechts das alltägliche Praxishandeln von Physiotherapeutinnnen und Physiotherapeuten beeinflussen (Annette Probst, Deutschland).

Ein Hauptaugenmerk lag auf der kritischen Reflektion der forschungsmethodologischen Seite der vorgestellten Projekte, deren Prämissen hauptsächlich von einem interpretativen Paradigma ausgehen.

Die Palette angewandter qualitativer Forschungsansätze reichte von Action-Research-Ansätzen, über ethnomethodologisch inspirierte Forschung bis hin zur Grounded Theory. Fragen zur Einschätzung der klinischen Relevanz qualitativer Methoden, methodische Schwierigkeiten qualitativer Forschung und der Umgang mit Reliabilität, Validität und Objektivität innerhalb qualitativer Forschung wurden heiß diskutiert und bearbeitet.

Nicht zuletzt wurden das Thema Evaluation qualitativer Forschungsvorhaben mit Blick auf das Stellen von Forschungsanträgen beleuchtet und mögliche Gütekriterien zur Beurteilung von Publikationen qualitativer Forschungsarbeiten diskutiert.

Nach 2 Tagen intensiver Arbeit, bei hervorragender Organisation seitens der ausrichtenden School of Allied Health Professions in der Person von Barbara Richardson und Annette Wood, fuhren und flogen die Teilnehmenden voll neuer Inspirationen und Anregungen nach Hause, nicht ohne sich wieder für das nächste Jahr verabredet zu haben. Vor allem aber in der Hoffnung, bis dahin neue Kolleginnen und Kollegen für die Etablierung qualitativer Forschung in den Gesundheitsberufen begeistern zu können.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich in der Folge eines Workshops auf dem WCPT-Kongress in Barcelona ein Physiotherapy Qualitative Research Network International (PQRI) gründete, das auf einer Internetplattform Informationen bereit hält und forschende und forschungsinteressierte Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten miteinander in Kontakt bringen will (http://www.uea.ac.uk/˜pqri). Schauen Sie doch mal rein!

Auf nationaler Ebene arbeitet das Multiprofessionelle Oberseminar an der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen in ähnlicher Weise. Der Teilnehmerkreis besteht aus Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, deren Qualifizierungsarbeiten eine quantitative und/oder qualitative Ausrichtung haben.

Nähere Informationen finden sich auch unter: http://www.fh-hildesheim.de/FBE/FBS/Medizinalfachberufe.htm.

Prof. Annette Probst

HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Fachhochschule Hildesheim/ Holzminden/ Göttingen Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, Studiengang Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie

Tappenstr. 55

D-31134 Hildesheim

eMail: probst@hawk-hhg.de

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