Suchttherapie 2005; 6(4): 155-164
DOI: 10.1055/s-2005-858815
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Suchtrehabilitation und Verlauf der beruflichen Integration Alkoholabhängiger vor und nach der Rehabilitation: Eine Auswertung von Routinedaten der Rentenversicherungen

Development of the Unemployment Rate in Rehabilitation Programs and Course of Vocational Integration of Alcohol-addicted Patients before and after Rehabilitation: an Analysis of Routine Data of the Pension InsurancesD. Henkel1 , P. Grünbeck2
  • 1Fachhochschule Frankfurt a. M., Fachbereich 4 Soziale Arbeit und Gesundheit, Institut für Suchtforschung ISFF, University of Applied Sciences
  • 2Deutsche Bundesversicherung Bund, Geschäftsbereich 0400 Sozialmedizin und Reha-Wissenschaften, Berlin
Further Information

Publication History

Publication Date:
09 December 2005 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung, Methode, Stichprobe: Anhand von Daten der gesetzlichen Rentenversicherungen wurde die Entwicklung des Anteils der Arbeitslosen in der Gruppe der alkoholabhängigen Rehabilitanden seit 1975 (VDR-Daten) untersucht und der Erwerbsverlauf im Zeitraum von 2 Jahren vor und 2 Jahren nach einer Suchtrehabilitation analysiert, unterteilt in 8 Messzeitpunkte (BfA-Daten, Reha-Jahrgang 2001, n = 5,929). Ergebnisse: Es zeigte sich ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosenquote von zunächst 7 % (1975) auf 37 % (2003). Dazu werden verschiedene Bedingungen diskutiert, die auf diese Entwicklung Einfluss genommen haben können. In Hinblick auf die berufliche Integration der Alkoholabhängigen fiel die Bilanz insofern negativ aus, als der Beschäftigtenanteil vor der Rehabilitation zwar kontinuierlich abgenommen hatte, aber zu Beginn des Untersuchungszeitraums höher war als nach der Reha-Maßnahme. Allerdings ließ sich feststellen, dass die Rehabilitation eine weitere Eskalation der beruflichen Desintegrationsprozesse verhindert hatte. Diese Verlaufsstruktur zeigte sich in West- und Ostdeutschland sowie bei Männern und Frauen gleichermaßen. Darüber hinaus wurde die Dauer der Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit nach der Rehabilitation in verschiedenen Gruppen untersucht (Männer-Frauen, Alters- und Einkommensgruppen u. a. m.). Die durchschnittliche Beschäftigungszeit variierte zwischen 12 und 18 Monaten. Die Mittelwerte der ununterbrochenen Arbeitslosigkeit lagen bei allen Arbeitslosengruppen dicht an der Grenze hin zur Langzeitarbeitslosigkeit oder hatten diese leicht überschritten. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unterstreichen, dass sowohl arbeitsreintegrative Maßnahmen für die Arbeitslosen als auch arbeitsplatzsichernde für die Erwerbstätigen in der Suchtrehabilitation eine hohe Priorität haben müssen.

Abstract

Objective, method, sample: Based on data of the pension insurances this study investigates the development of the unemployment rate among alcohol-addicted patients in rehabilitation programs since 1975 (VDR-data) and analyses the course of vocational integration during a period of 2 years before and after treatment and rehabilitation, subdivided in 8 measurement points in time (BfA-data, rehabilitation cohort of the year 2001, n = 5.929). Results: It was proved to be a considerable increase of the unemployment rate from 7 % (1975) to 37 % in 2003. Various conditions possibly having influenced this development are discussed. With regard to the vocational integration the outcome was negative in so far as the employment rate was much higher before than after rehabilitation. But it could be clearly established that rehabilitation prevented a further increase of vocational disintegration which had taken place during the period of 2 years before rehabilitation. The structure of this course of vocational integration among men and women and West and East Germany closely resembled each other. In addition to that the duration of employment and unemployment after rehabilitation was investigated for various groups (men-women, age and income groups etc.). The average length of employment varied between 12 and 18 months. The means of unemployment of all unemployed groups were near to the perimeter of long term unemployment or exceeded it slightly. Conclusion: The results underline that measures for promoting vocational reintegration and protecting against job loss must have a high priority in addiction treatment and rehabilitation.

Literatur

  • 1 Henkel D, Zemlin U, Dornbusch P. Analyse rückfallbeeinflussender Bedingungen bei arbeitslosen Alkoholabhängigen (ARA-Projekt). Teil II: Ergebnisse des Therapieverlaufs und der 6-Monatskatamnese.  Sucht aktuell. 2004;  6 21-32
  • 2 Henkel D, Zemlin U, Dornbusch P. Analyse rückfallbeeinflussender Bedingungen bei arbeitslosen Alkoholabhängigen (ARA-Projekt). Teil III: Abstinenz und Rückfall in der 12-Monatskatamnese, Veränderungen im Katamneseverlauf, Unterschiede zwischen Rückfälligen und Abstinenten in der Aufnahme-, Entlass- und Katamnesediagnostik sowie zwischen Erst- und Wiederbehandelten.  Sucht aktuell. 2004;  6 5-15
  • 3 Zobel M, Missel P, Bachmeier M. et al . Effektivität der stationären Suchtrehabilitation - FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2002 von Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige.  Sucht aktuell. 2005;  6 11-20
  • 4 Hümmelink R, Grünbeck P. Sozialmedizinische Prognose nach stationärer Sucht-Rehabilitation. Aktuelle Auswertungen von Routinedaten der BfA.  Sucht aktuell. 2002;  6 26-29
  • 5 Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) .VDR-Statistik Rehabilitation,. Frankfurt/Main; Jahrgänge 1975 - 2003
  • 6 Klosterhuis H. Analysemöglichkeiten mit Routinedaten der Sozialversicherung. Bengel J, Koch U Grundlagen der Rehabilitationswissenshaften - Themen, Strategien und Methoden der Rehabilitationsforschung Berlin, Heidelberg, New York; Springer Verlag 2000: 451-466
  • 7 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung .Statistisches Taschenbuch. Arbeits- und Sozialstatistik. Berlin; 2004
  • 8 Bundesagentur für Arbeit .Arbeitsmarktstatistik. Nürnberg; Jahrgänge 1995 - 2003
  • 9 Henkel D, Zemlin U, Dornbusch P. Analyse rückfallbeeinflussender Bedingungen bei arbeitslosen Alkoholabhängigen (ARA-Projekt). Teil I: Einführung in die Thematik, Projektziele, Untersuchungsanlage und Ergebnisse zu Beginn der Suchttherapie.  Sucht aktuell. 2003;  6 5-14
  • 10 Henkel D. Arbeitslosigkeit, Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit: nationale und internationale Forschungsergebnisse. Henkel D Sucht und Armut. Alkohol, Tabak, illegale Drogen Opladen; Leske & Budrich 1998: 101-136
  • 11 Henkel D. Arbeitslosigkeit, Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit: Forschungsergebnisse, Forschungsdefizite und Hypothesen.  Abhängigkeiten. 1998;  6 9-29
  • 12 Hollederer A. Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Ein Überblick über empirische Befunde und die Arbeitslosen- und Krankenkassenstatistik.  Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 2002;  6 411-428
  • 13 Grobe T, Schwartz F. Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 13. Berlin; Robert-Koch-Institut 2003
  • 14 Almendinger J, Eichhorst W, Walwei U. IAB Handbuch Arbeitsmarkt. Analysen, Daten, Fakten. Frankfurt/Main; Campus 2005
  • 15 Schnur P, Zika G. Nur zögerliche Besserung am deutschen Arbeitsmarkt. Projektion des Arbeitskräftebedarfs bis 2020. IAB-Kurzbericht Nr. 12.  . 2.7.2005; 
  • 16 Statistisches Bundesamt .Strukturdaten auf dem Arbeitsmarkt. Wiesbaden; 2004
  • 17 Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Nürnberg; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB 1999 6

Prof. Dr. Dieter Henkel

FH Frankfurt a. M., FB 4

Nibelungenplatz 1

60318 Frankfurt a. M.

Email: henk@fb4.fh-frankfurt.de