intensiv 2006; 14(2): 97
DOI: 10.1055/s-2005-859018
Recht

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Behandlung und Pflege gegen den Willen eines Komapatienten - Schmerzensgeldforderung wurde am 7.12.2005 vom Landgericht Traunstein abgewiesen

Werner Schell1
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Publication Date:
06 April 2006 (online)

Der Fall des inzwischen verstorbenen Wachkomapatienten Peter K. hat erneut das Landgericht (LG) Traunstein beschäftigt und zur Abweisung einer Schadensersatzforderung der Eltern von Peter K. geführt. Damit ist der Streit aber voraussichtlich noch nicht „vom Tisch”.

Peter K. hatte in einer Patientenverfügung bestimmt, dass er im Koma nicht künstlich am Leben gehalten werden darf. Seine Eltern wollten ihm diesen Wunsch erfüllen. Sein Vater war vom Vormundschaftsgericht zum rechtlichen Betreuer bestellt worden und verlangte vom Pflegeheim Alpenpark in Kiefersfelden die Befolgung einer ärztlichen Anordnung des behandelnden Arztes. Dieser hatte das Pflegepersonal angewiesen, die künstliche Ernährung einzustellen und für die Sterbephase nur noch lindernde Medikamente zuzuführen. Da sich das Pflegeheim weigerte, die ärztliche Anordnung zu befolgen, verklagte Peter K. über seinen Betreuer das Pflegeheim erfolglos auf Unterlassung.

Der Bundesgerichtshof (BGH) ließ wegen der besonderen Bedeutung dieses Falles hinsichtlich der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen und der Durchsetzung des Patientenwillens die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 13.2.2003 - 3 U 5090/02 - zu. Doch Peter K. verstarb dann während des Revisionsverfahrens, sodass wegen der damit eingetretenen so genannten „Erledigung der Hauptsache” nicht mehr in der Sache entschieden werden musste. Der BGH entschied daraufhin in einem viel beachteten Beschluss vom 8.6.2005 - XII ZR 177/03 - über die Prozesskosten und machte folgenreiche Ausführungen zur Patientenautonomie am Lebensende; der Leitsatz:

Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, dass die künstliche Ernährung des betreuten, einwilligungsunfähigen Patienten eingestellt wird, so kann das Pflegeheim diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertigt für sich genommen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem solchen Fall nicht.

Der Beschluss des BGH korrigierte die entgegenstehenden Entscheidungen der Vorinstanzen und hat erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung von Patientenverfügungen in Pflegeheimen.

Erstmals wurde nämlich letztinstanzlich festgestellt, dass nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte bindend verpflichtet sind, den in Patientenverfügungen festgelegten Willen umzusetzen.

Dazu gehört folgerichtig, Zwangsernährungen zu beenden und das vom Patienten vorausbestimmte natürliche Sterben zuzulassen. Besonders wichtig ist, dass Bestimmungen in Heimverträgen, die die Rechtswirkung von Patientenverfügungen aufheben sollen, als rechtswidrig einzustufen sind.

Werner SchellDozent/Dipl.-Verwaltungswirt

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