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DOI: 10.1055/s-2005-863448
Fibromyalgie und mimische Beziehungsregulation
Einleitung: Fibromyalgie (FM)-Patienten haben den Ruf, „schwierig“ zu sein, was insbesondere für die Beziehungen zu Ärzten gilt. Dabei fühlen sich insbesondere niedergelassene Ärzte „überflutet“ von den Schilderungen ständig wechselnder Beschwerden, die fast jeder ärztlichen Heilkunst trotzen und in kein Krankheitsschema passen wollen. Die Patienten hingegen fühlen sich schnell als „Simulanten“ abgestempelt und nicht ernst genommen. Sie suchen nach „der“ Ursache für ihre Beschwerden, und kämpfen vehement und in diversen Verbänden organisiert mit den Ärzten um die auch sozialmedizinische Anerkennung ihrer Beschwerden.
Maladaptive, interpersonelle und emotionale Prozesse spielen bei Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen eine zentrale Rolle. Affektive Indikatoren maladaptiver Beziehungsmuster sind in der erhöhten Frequenz eines Affektes zu suchen, aber auch im Fehlen von Affekten, die zur Realisation von Wünschen notwendig wären. [4].
Ziel der vorliegenden Studie ist die Identifizierung von affektiven Indikatoren der beschriebenen Interaktionsschwierigkeiten.
Methodik: Die Daten aus 35 videographierten Interviews von stationären FM-Patientinnen und 15 von gesunden Frauen (Abwesenheit einer psychischen/psychiatrischen Störung nach ICD-10) wurden mit einem Instrument zur Erfassung mimischer Aktivitäten im Gesicht (EMFACS) analysiert,. Die Emotionskategorien umfassen im wesentlichen die Primäraffekte Freude („echte Freude“, „soziales Lächeln“), Ärger, Verachtung, Ekel, Angst, Trauer und Überraschung. Die mimischen Analysen wurden anschließend mit dem Blickverhalten in Beziehung gesetzt
Ergebnisse: Die Auswertung der ersten 15 FM-Patientinnen zeigten, dass diese weder eine Reduktion der mimischen Gesamtaktivität noch der absoluten Häufigkeit der Primäraffekte im Vergleich zu den Gesunden aufwiesen. Diese zeigten jedoch (auch im Blickkontakt) einen signifikant höheren Anteil an „echter Freude“ und einen niedrigeren an „Verachtung“ als die Patientinnen.
Schlussfolgerung: Affekten wird eine spezifische Bedeutungsstruktur in Form von Propositionen zugesprochen; negative Affekte stehen für den Wunsch nach veränderten Objektbeziehungen, positive nach der Fortführung. Echtes Lächeln stabilisiert insbesondere dann eine Beziehung, wenn es gemeinsam im Blickkontakt gezeigt wird. Die propositionale Struktur und der dazugehörige Bewertungsprozess der Verachtung beinhalten eine Abwertung des Interaktionspartners.
Die ersten Ergebnisse lassen die beschriebenen Interaktionsschwierigkeiten von FM-Patienten verständlicher werden: die Patienten wirken bei hohem Leidensdruck mimisch affektiv lebendig, lassen aber gleichzeitig beziehungsstabilisierende Elemente vermissen und implantieren distanzierende.