Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - P_116
DOI: 10.1055/s-2005-863551

Körperliche Beschwerden bei Patienten mit somatoformer Schmerzstörung

B Schmidt 1, R Nickel 1, J Hardt 1, F Petrak 1, B Kappis 1, UT Egle 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Mainz

Nach DSM-IV und ICD-10 handelt es sich bei der somatoformen Schmerzstörung um eine Monosymptomatik. Die vorliegende Untersuchung ging der Frage nach, wie sehr Patienten mit Somatoformer Schmerzstörung durch weitere funktionelle Beschwerden belastet sind, ob es dabei ggf. Zusammenhänge mit einer zusätzlichen Komorbidität (affektive und Angststörungen) gibt und inwiefern sie sich von Patienten mit Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz unterscheiden.

Aus einer Gesamtpopulation chronischer Schmerzpatienten von N=417 Patienten wurden nach fachübergreifender Ausschlussdiagnostik und mit Hilfe von SKID-I bei 222 Patienten eine somatoforme Schmerzstörung (F45.4) diagnostiziert und mit 61 Patienten mit einer Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz (F 45.0/1) verglichen. Hierzu wurde mit Hilfe des „Screening for Somatoforme Symptoms“ (SOMS) ein Summenscore aller „Nicht-Schmerzsymptome“ in den vorausgegangenen 2 Jahren gebildet sowie die psychische Komorbidität erfasst.

Nur 5% der Patienten mit somatoformer Schmerzstörung weisen zusätzlich zu ihrer Schmerzsymptomatik keine weiteren somatoformen Beschwerden auf. Bei den übrigen Patienten reicht die Anzahl der Beschwerden von 2 bis 24 (Median 8; IQR 6). Vor allem gastrointestinale Symptome (67%), Müdigkeit (64%), Taubheitsgefühl (60%) und Schwindel (49%) treten häufig auf. Eine Differenzierung hinsichtlich Vorhandensein einer psychischen Komorbidität (SOM+) bzw. deren Fehlen (SOM-) zeigt eine signifikant höhere Belastung durch weitere somatische Symptome bei SOMS+ (Median 8; IQR 7,25) gegenüber den Patienten ohne Komorbidität (Median 5; IQR 6; p=0,001). Im Vergleich hierzu weisen Patienten mit Somatisierungsstörung signifikant mehr funktionelle Beschwerden auf (Range 1–23; Median 13,5; IQR 7; p<0,001), eine psychische Komorbidität besteht bei 85% dieser Patienten.

Die Ergebnisse zeigen, dass der größte Teil der Patienten mit somatoformer Schmerzstörung (95%) durch eine Vielzahl weiterer körperlicher Beschwerden (ohne organische Ursache) belastet ist, die sie nicht spontan berichten, die jedoch ebenfalls ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Besonders häufig sind diese bei zusätzlicher Komorbidität. Im Hinblick auf die diagnostische Einschätzung wie Therapieplanung sollten diese systematisch exploriert werden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Übergänge zwischen somatoformer Schmerzstörung und Somatisierungsstörung fließend sind und der wesentliche Unterschied möglicherweise in der subjektiven Bewertung der einzelnen Symptome durch den einzelnen Patienten liegt.