Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - P_141
DOI: 10.1055/s-2005-863575

Affekt-orientierte psychodynamische stationäre Psychotherapie

J Ullrich 1
  • 1St. Marien-Hospital, Neurologisch-Psychosomatische Abteilung St. Franziskus, Bonn

Psychotherapie und Psychosomatik haben durch die bildgebenden Verfahren (PET und fMRT) unverhofft eine naturwissenschaftliche Fundierung erfahren. Die Fortschritte bei der visuellen Darstellung der Affekte und der Kognition verlangen eine schlüssige Konzeptualisierung des psychotherapeutischen Prozesses. Eine Konzeptualisierung stationärer psychodynamischer Therapie mittels Zentrierung auf die emotionale und kognitive Erlebensfähigkeit der Affekte (in Anlehnung an die „Affektlogik“ v. L. Ciompis) wird in dem Referat dargestellt und das theoretische Modell eines neurobiologischen Affektverständnisses in der praktisch-therapeutischen Arbeit an psychosomatischen und psychotischen Krankheitsbildern erläutert, wobei insbesondere das Alexithymie-Konzept theoretische Berücksichtigung erfährt. Als Ursache der psychischen bzw. somatoformen Störung wird die Affekt-Abwehr gesehen, die das emotionale Erleben (im „limbischen System“) bzw. dessen kognitive (cortical-praefrontale) Realisierung, somit eine adäquate affektive Beantwortung (in phantasierter oder konkreter Handlung) verhindert. Therapeutisches Ziel ist nicht „Bewusstmachung“ des Abgewehrten bzw. „Erkenntnis“, sondern authentisches Affekterleben. Deutungen betreffen somit die abgewehrten Affekte, einmal bezüglich ihrer emotionalen Qualität (Aktivierung der entsprechenden limbischen Strukturen) wie auch ihrer kognitiven Wahrnehmung und Verarbeitung (corticale praefrontale Lokalisation). Erst vollständiges Affekt-Erleben sowohl in seiner emotionalen Qualität als auch in seinem Sinnzusammenhang befähigt zu einem angemessenen Handlungsentwurf und dessen Durchführung, verhindert somit ein Sistieren der Erregung im Vegetativen (Mittelhirn-Zwischenhirn-Bereich) als Ursache einer Somatisierung.