Stresserleben von Patienten mit kompensiertem und dekompensiertem chronischen Tinnitus–eine Vergleichsstudie

Dem Stresserleben kommt bei der Entstehung aber auch im Verlauf des chronischen Tinnitus eine zentrale Bedeutung zu. Ziel der Untersuchung war es, einen Zusammenhang zwischen dem Kompensationsgrad und dem individuellen Stresserlebens der Betroffenen aufzuzeigen. Untersucht wurde eine Stichprobe von 46 chronischen Tinnituspatienten. Zur Ermittlung des Kompensationsgrades des Tinnitus wurden die Patienten anhand des Tinnitus-Fragebogens (TF) nach Goebel und Hiller in zwei Gruppen (kompensierte und dekompensierte Tinnituspatienten) eingeteilt. Der Kompensationsgrad wurde mit dem Belastungserleben, gemessen mit der deutschen Version des Perceived Stress Questionaires (PSQ), verglichen. Schließlich wurden kompensierte und dekompensierte Tinnituspatienten mittels des Stress-Grid, einem neu entwickelten idiographischen Verfahren hinsichtlich persönlicher stressbezogener Konstrukte und Spannungssituationen genauer untersucht. Es fand sich ein deutlicher Zusammenhang von hoher Tinnitusbelastung im TF und hohen Werten für Belastung im PSQ (p<0,001). Im Stress-Grid nannten dekompensierte Tinnituspatienten signifikant seltener Konstrukte aus dem Bereich „Selbstwirksamkeit/Autonomie“ als kompensierte Tinnituspatienten (p=0,001). Die Relevanz individueller Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung stressassoziierter Situationen wird jeweils anhand eines kurzen Studienfallbeispiels eines schwer dekompensierten und eines besonders gut kompensierten Tinnituspatienten demonstriert. Fazit: Einer sorgfältigen Analyse von individuellem Stresserleben kommt gerade beim dekompensierten Tinnitus eine besondere Bedeutung zu; sie kann als Voraussetzung für eine Verbesserung der Tinnituskompensation angesehen werden. In der klinischen Praxis können hierbei Instrumente wie der Stress-Grid zur Erleichterung der therapeutischen Fokusbildung genutzt werden.

Key words

Stress-Grid - Stresserleben - Tinnitus