Der Klinikarzt 2005; 34(3): IX
DOI: 10.1055/s-2005-865158
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Interdisziplinär diagnostizieren und therapieren - Die Mukopolysaccharidose Typ I hat viele Gesichter

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Publication Date:
18 April 2005 (online)

 

Unterschiedlichste Symptome an den verschiedensten Oransystemen machen es im klinischen Alltag nicht leicht, eine Mukopolysaccharidose vom Typ I zu diagnostizieren. In manchen Fällen liegen sogar Jahrzehnte zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose. Je früher diese lysosomale Speicherkrankheit jedoch therapiert werden kann, desto besser sind die Erfolge.

Dr. E. Mengel, Universitätskinderklinik Main, berichtete uns von einer inzwischen 30-jährigen Patientin, bei der die attenuierte Verlaufsform der MPS-Erkrankung relativ spät diagnostiziert wurde: Vom ersten Symptom der Erkrankung bis zur Diagnosestellung vergingen mehr als 20 Jahre. Bereits im frühen Kleinkindesalter fiel den Eltern auf, dass die Beweglichkeit der Hände eingeschränkt gewesen ist. Mehrere Vorstellungen beim Kinderarzt erfolgten, weil das Mädchen nicht lernte, selbstständig mit Messer und Gabel umzugehen. In der Schule konnte sie nur bedingt beim Handwerken mitmachen, obwohl eine krankengymnastische Betreuung durchgeführt wurde.

Als weitere Auffälligkeiten kamen rezidivierende Otitiden und chronische Durchfälle ohne Infektionszeichen hinzu. Im Alter von 15 Jahren wurde das Mädchen am Karpaltunnel operiert. Es bestand eine Hyperlordose der Wirbelsäule. Dem Augenarzt fiel dann eine Hornhautrübung auf. Neben den Kontrakturen an den Händen zeigten sich auch Bewegungseinschränkungen der großen Gelenke.

Die Hornhauttrübung ist ein typisches Frühsymptom, das immer an eine Mukopolysaccharidose denken lassen sollte. Weitere wegweisende Krankheitszeichen sind Arthropathien, Karpaltunnelsyndrom oder andere Nervenkompressionssyndrome, Aortenklappenvitien, Hepatosplenomegalie, Hörverlust, Glaukom.

Bei Frau H. wurde die Mukopolysaccharidose Typ I erst im Alter von 25 Jahren diagnostiziert, nachdem sie schwanger geworden war. Der Arzt, der nun die Krankengeschichte aufarbeitete, vermutete aufgrund der Verknüpfung von Symptomen des Bewegungsapparates sowie der Hornhauttrübung eine MPS-Erkrankung. Er veranlasste auch eine echokardiografische Untersuchung und wies dadurch eine Mitralklappenverdickung nach.

Finden sich solche klassischen Befunde, lässt sich die Verdachtsdiagnose 'Mukopolysaccharidose' initial mithilfe einer Enzymdiagnostik, nämlich dem Nachweis einer vermehrten Ausscheidung der Glykosaminoglykane im 24-Stunden-Sammelurin, erhärten und anschließend durch eine Enzymbestimmung aus kultivierten Fibroblasten, Leukozyten im peripheren Blut bzw. Plasma mithilfe einer spezifischen Fluoreszenzspektrometrie definitiv bestätigen.

Literatur

  • 1 Kakkis ED . Muenzer J . Tiller GE . et al. . Enzyme-replacement therapy in mucopolysaccharidosis I.  N Engl J Med. 2001;  344 (3) 182-188
  • 2 Wraith JE . Clarke LA . Beck M . et al. . Enzyme replacement therapy for mucopolysaccharidosis I: a randomized double-blinded, placebo-controlled, multinational study of recombinant human a-L-Iduronidase (Laronidase).  J Pediatr. 2004;  144 (5) 581-588
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