Der Klinikarzt 2005; 34(3): XIII
DOI: 10.1055/s-2005-865162
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Hennig-Vertigo-Preis 2004 - Schon ganz wenig Alkohol macht das Fahren unsicherer

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Publication Date:
18 April 2005 (online)

 

Auch ein Blutalkoholgehalt von 0,6%, wie er in vielen Ländern beim Fahren derzeit noch erlaubt ist, kann die Fahrtauglichkeit schon erheblich einschränken. Dies zeigen Untersuchungen von PD F. Schmähl, Oberarzt an der HNO-Klinik der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Stoll), für die er vor kurzem den höchstdotierten deutschen Preis für HNO-Heilkunde, den Hennig-Vertigo-Preis 2004, erhalten hat. Schmähl befasste sich mit der Auswirkung des Alkohols auf die Blickfeldstabilisierung. Ein kompliziertes Wechselspiel zwischen Gleichgewichtsorgan und Gehirn sorgt beim gesunden Menschen dafür, dass ihm nicht schwindlig wird.

Eine wichtige Funktion haben dabei die Augen. Sie erhalten aus dem Hirnstamm die vom Gleichgewichtsorgan empfangenen Informationen, ihre Muskeln bewegen dann den Augapfel exakt entgegen die Bewegung von Kopf oder Körper und halten so das Blickfeld stabil. Die drei Bogengänge im Gleichgewichtsorgan registrieren Drehbewegungen, die Otolithenorgane sind für lineare Bewegungen zuständig. Störungen des vestibulo-okulären Reflexes führen dazu, dass Bilder auf der Netzhaut verwischen und ein scharfes Sehen nicht mehr möglich ist.

Schmähl konzentrierte seine Untersuchungen auf die von den Otolithenorganen registrierten geradlinigen Bewegungen und konstruierte für die Untersuchungen zusammen mit Prof. Stoll einen Hubstuhl, mit dem die Blickfeldstabilisierung gemessen werden kann. Bei der Untersuchung der Frage, in welchem Maße Alkohol die Ergebnisse beeinflusst, wurden die Probanden zunächst auf einen Alkoholspiegel von 0,6-0,7% gebracht. Die ernüchternden Ergebnisse: Im Ruhezustand konnten die leicht alkoholisierten Probanden die auf einem Bildschirm dargebotenen Zahlen zu 100% erkennen, bei Auf- und Abbewegung aber nur noch zu 75%. Nüchterne Probanden hatten keine Probleme.

Die Analyse zeigt, dass bei den alkoholisierten Probanden die Augenbewegung der Bewegung des Stuhls zu spät folgt. Die normale Latenzzeit von 20-30 Millisekunden hatte sich mehr als verdoppelt. Auch wenn es nur Verzögerungen im Millisekundenbereich sind - in Verkehrssituationen kann dies entscheidend sein.

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