Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56(1): 15-22
DOI: 10.1055/s-2005-867057
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie bedeutsam ist die berufliche Reintegration (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation?

How Relevant are the Benefits for Participation at Working Life for Psychosomatic Inpatient RehabilitationAxel  Kobelt1 , Eberhard  Virtus  Grosch1 , Christoph  Gutenbrunner2
  • 1LVA Hannover, Ärztlicher Dienst
  • 2Medizinische Hochschule Hannover, Koordinierungsstelle für Angewandte Rehabilitationsforschung in der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Balneologie und Medizinische Klimatologie
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Publication History

Eingegangen: 4. Februar 2005

Angenommen: 5. August 2005

Publication Date:
27 September 2005 (online)

Zusammenfassung

Die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sowie die gleichzeitige Stabilisierung und Besserung des Leistungsvermögens sind wichtige Ziele der medizinischen Rehabilitationsbehandlungen. Zur weiteren Unterstützung im Rahmen einer Rehabilitationskette sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) ein wichtiger und hilfreicher Bestandteil, um das allgemeine Ziel der Rehabilitation zu erreichen. Die Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt voraus, dass sich der Arzt oder Therapeut in Art, Inhalt und den versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen, die für die Bewilligung dieser Leistungen seitens der Rentenversicherung notwendig sind, gut auskennt. Zusätzlich müssen aber auch formale Voraussetzungen im Reha-Entlassungsbericht erfüllt sein, damit den Versicherten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden können. In unserer explorativen Studie haben wir die Empfehlungshäufigkeit und die Einschätzungen der Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche Tätigkeit und für den allgemeinen Arbeitsmarkt für zwei Indikationsgruppen (Psychosomatik und Orthopädie/Innere) mit der Frage untersucht, ob sich die beiden Gruppen unterscheiden und ob sich Hinweise dafür finden lassen, bei welchen Gegebenheiten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht gewährt werden. Es zeigte sich, dass in der Psychosomatik wesentlich weniger Empfehlungen, LTA zu prüfen, gegeben werden als in der Vergleichsgruppe. Gleichzeitig nahmen auch weniger Versicherte aus der psychosomatisch-psychoneurotischen Indikationsgruppe die Empfehlung zur Antragstellung auch tatsächlich an. Einen signifikanten Unterschied gab es jedoch vor allem bei den Bewilligungsquoten, die bei den Versicherten aus der psychosomatisch-psychoneurotischen Indikationsgruppe wesentlich geringer war. Gleichzeitig zeigte sich, dass die empfehlenden Rehabilitationskliniken möglicherweise auch über den Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche Tätigkeit und der Empfehlung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unsicher waren. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die Probleme am Arbeitsplatz noch nicht ausreichend in der medizinischen Rehabilitation berücksichtigt werden.

Abstract

Beside the stabilization of the health status the reintegration into employment are the main ambitions of the medical rehabilitation. Thereby occupational rehabilitation plays an important role in the rehabilitation system. To recommend occupational rehabilitation physicians have to know the requirements patients have to comply with. In addition formal conditions of the medical report upon discharge have to be accomplish that benefits for participation at working life will be provided by the pension insurance. In our study the differences of the amount of recommendation for occupational rehabilitation and the appraisal of the ability to work in the medical reports upon discharge of psychosomatic and orthopaedic patients are examined. The results show that psychosomatic patients achieved significantly less recommendations for occupational rehabilitation than orthopaedic patients. At the same time more psychosomatic patients who achieved the recommendation didn't claim benefits for participation at working life. In addition orthopaedic patients get a rehabilitation approval certification more often than psychosomatic patients. At the same time it appears that maybe the recommending clinics were insecure about the connection between the occupational capacity assessment and the recommendations for benefits for participation at work life. The outcomes presume that work place problems in medical rehabilitation are not taken into consideration adequately.

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Dr. Dipl.-Psych. Axel Kobelt

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