Zusammenfassung
Hintergrund: Alkoholbezogene Störungen sind aufgrund ihrer hohen Prävalenz von großer Bedeutung
für die hausärztliche Praxis. Ziel dieser Untersuchung war es, die gegenwärtige Behandlung
dieser auf Basis einer Befragung von Hausärzten zu beschreiben. Methodik: Einer repräsentativen Stichprobe der Hausärzte der KV Südbaden und Südwürttemberg
(n = 1332) wurde ein standardisierter 10-seitiger Fragebogen zugesandt, in dem sie
neben der Beantwortung allgemeiner und das Versorgungssystem betreffenden Fragen ihr
diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei ihrem letzten Patienten mit alkoholbezogener
Störung beschreiben sollten. Ergebnisse: 299 Hausärzte konnten in die Untersuchung eingeschlossen werden (24,3 %). Die von
den Hausärzten beschriebenen Patienten waren im Mittel 49,3 ± 10,3 Jahre alt und zu
70,6 % männlichen Geschlechtes. Die durchschnittliche Dauer des letzten Kontaktes
betrug 18,7 Minuten. Die Diagnostik basierte in der Regel auf dem klinischen Eindruck
(85,5 %). Standardisierte Fragebogen zum Screening (0,7 %) und formale Diagnosekriterien
(5,0 %) wurden selten eingesetzt. In 76,7 % der Fälle erfüllte der Patient die ICD-10-Kriterien
der Alkoholabhängigkeit. 65,0 % wurden vom Arzt als abhängig eingeschätzt. 69,4 %
wurden als schwer und sehr schwer erkrankt eingeschätzt. In den meisten Fällen war
eine stationäre Einweisung erfolgt. Die häufigste Intervention (97,3 %) war die Aufklärung
bezüglich spezifischer Behandlungsmöglichkeiten; nur selten wurden pharmakotherapeutische
Methoden erwogen (11,3 %). Für die Behandlung wesentliche erschwerende Faktoren stellten
patientenbezogene Faktoren wie fehlende Akzeptanz der Diagnose oder Ablehnung einer
Behandlung dar. Diskussion: Im Wesentlichen wurden schwer kranke abhängige Patienten beschrieben. Dies könnte
darauf hinweisen, dass v. a. riskante Konsummuster in der hausärztlichen Praxis weniger
beachtet, und sekundärpräventive Maßnahmen somit wenig durchgeführt werden. Den Hauptfokus
erschwerender Faktoren stellten patientenbezogene Variablen dar. Aus der Sicht der
Hausärzte sind Patienten mit Alkoholproblemen eher schwierig und zeitaufwändig zu
betreuende Patienten. Diese Aspekte sollten in Weiterbildungskonzepten Berücksichtigung
finden.
Abstract
Background: Due to their high prevalence alcohol related disorders (dependent, harmful and at
risk drinking) are of major importance for the general practitioner (GP). The aim
of this study was to examine the diagnostic and treatment strategies employed by the
general practitioners. Methods: A standardized 10-page questionnaire was mailed to a representative sample (n = 1232)
of the general practitioners in south-west Germany. They were asked about diagnostic
and therapeutic procedures they had employed in the last patient seen. Further questions
regarded patient-related and structural problems. The response rate was 24,3 %. Results: The reported patients had a mean age of 49 ± 10,3 years. 70,6 % were of male sex.
The mean duration of the last patient contact was 18,7 minutes. The diagnosis originated
more in clinical impression than in use of screening instruments (0,7 % of patients)
or formal diagnostic criteria. 76,7 % fulfilled ICD-10 criteria for dependent drinking,
65,0 % were judged dependent drinkers by the GP's. In most cases the patient had been
referred to inpatient services. The main intervention (97,3 % of cases) was disease
related counseling. 69,4 % were judged to be quite ill and severely ill. In most cases
an inpatient referral had taken place. Pharmacotherapeutic measures were relatively
rarely employed (11,3 %). As the major impediments of treatment patient related factors
were stated (lack of acceptance of diagnosis, resistance to treatment). Discussion: The majority of patients described by the GP's were dependent drinkers. This indicates
that many at risk drinkers might perhaps not be correctly identified. Concerning therapeutic
competency patient-related factors are considered as the major impediments for the
delivery of effective care. This reflects a view of GP’s that patients with alcohol
problems are being difficult and time consuming. This should be carefully addressed
by future GP-education programs.
Literatur
nd Edition. Alexandria: International Medical Publishing 1996
Michael_Berner@psyallg.ukl.uni-freiburg.de
