Der Klinikarzt 2005; 34(6): XIV
DOI: 10.1055/s-2005-871808
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Einfluss des Narkosemanagements auf Morbidität und Mortalität - Parallelnarkosen können das Sterberisiko der Patienten erhöhen

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Publication Date:
22 June 2005 (online)

 

Quelle: Arbous MS, Meursing AE, van Kleef JW et al. Impact of anesthesia management characteristics on severe morbidity and mortality. Anesthesiology 2005; 102 (2): 251-252

Thema: Noch nie waren Narkosen so sicher wie heute. Treten jedoch Zwischenfälle auf, handelt es sich häufig um lebensbedrohliche und gefährliche Krisen. Wie sich das Narkosemanagement auf das Operationsrisiko der Patienten auswirkt, das haben jetzt niederländische Forscher in einer Fallkontrollstudie untersucht.

Projekt: Insgesamt analysierte das Team um D. Grobbee die Daten von 1690 Patienten aus einer Kohorte von 869483 Patienten. 807 dieser Patienten blieben entweder über 24 Stunden komatös oder verstarben in diesem Zeitraum, in der Kontrollgruppe (n = 893) traten diese schwer wiegenden Komplikationen nicht auf.

Ergebnis: Bezogen auf eine Zahl von 10000 Anästhesien verstarben 8,8% der Patienten innerhalb von 24 Stunden, 0,5% fielen in ein Koma, das mindestens 24 Stunden andauerte. Überprüfte der Narkosearzt sein Equipment nach einem festgelegten Protokoll und mit einer Checkliste, sank das Sterberisiko der Patienten deutlich (relative Risikoreduktion: 36%). Auch die schriftliche Dokumentation dieser Kontrollen schafft mehr Sicherheit (relative Risikoreduktion 39%). Ein entscheidender Faktor ist zudem die Anwesenheit des Anästhesisten während der Operation: Kann dieser bei Komplikationen unmittelbar eingreifen, versterben nur halb so viele Patienten wie in den Fällen, in denen ihn - wie dies in manchen europäischen Ländern üblich ist - die Narkoseschwester vertritt. Günstig wirkt es sich auch aus, wenn es während der Operation keinen "Schichtwechsel" in der anästhesiologischen Betreuung gab.

Fazit: Eine kontinuierliche, gut dokumentierte, anästhesiologische Betreuung durch den Anästhesisten kann demnach durchaus über Leben und Tod der Patienten entscheiden. Vor diesem Hintergrund sollten die Bemühungen einiger privater Krankenhausbetreiber, die in Deutschland "Medizinische Assistenten für Anästhesiologie" ausbilden wollen, um "einfache Narkosen" bei "absehbar risikolosen Patienten" selbst leiten zu können, kritisch betrachtet werden, meint die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Die Gesellschaft warnt davor, dieses Vorhaben weiter zu verfolgen, da eine nach dem Dienstplan festgelegte Delegation anästhesiologischer Leistungen mit Blick auf eine größtmögliche Sicherheit des Patienten unvereinbar sei. Routinemäßig geplante Parallelnarkosen lehnt die DGAI in einem Positionspapier ab.

Key Words: Narkoserisiko - Koma - Tod - Narkosemanagement - Parallelnarkosen