Balint Journal 2005; 6(4): 126-127
DOI: 10.1055/s-2005-916206
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bericht von der 1. Balint-Studientagung in Plön 20.bis 22.05.2005

R. Donhuijsen-Ant, U. Wendt
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Publication Date:
29 December 2005 (online)

,,Wenn wir euch das Land verkaufen, müsst ihr wissen, dass es heilig ist und eure Kinder lehren, dass es heilig ist und dass jede flüchtige Spiegelung im klaren Wasser der Seen von Ereignissen und Überlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt!” Chief Seattle (Häuptling der Duwanish, 1786 - 1866; aus seiner Rede an den US-Präsidenten aus dem Jahre 1855).

Der Tagungsort der ersten Plöner Balint-Studientagung war der Koppelsberg, der etwas außerhalb Plöns auf einer Anhöhe über dem grossen Plöner See liegt. Das Tagungsgebäude ist ein freundlich - offenes, ganz zum See ausgerichtetes Haus. Von hier oben bekommt man unter dem Einfluss der wechselnden Wolken und Tageszeiten einen sich ständig wandelnden Ausblick, der dafür sorgt, dass sich rasch ein großer Abstand zum Alltag einstellt.

Frau Kittner, Kiel und Herr Schiebel, Preetz hatten zu dieser ersten Plöner Balint-Studientagung eingeladen. Angeboten wurde klassische und integrierte Balint-Arbeit sowie eine Supervisionsgruppe. Die Tagung wendete sich an Ärzte, Dipl.-Psychologen, Kinder-Jugendlichen-Psychotherapeuten, Medizinstudenten sowie Pflege- und Sozialberufe.

Die Idee zu einer speziellen Tagung im norddeutschen Raum wurde vor 2 Jahren in Würzburg geboren, um eine Vertiefung der Balint-Arbeit als Beziehungsdiagnostik in praktischer Arbeit und mit theoretischen Vorträgen zu ermöglichen.

Die Akademie am See Koppelsberg war Herrn Schiebel schon aus ihrer langen Tradition als Land-Volkshochschule bekannt. Er wusste, dass an diesem Ort der äußere Freiraum entsteht, in dem das Knüpfen von Kontakten wie von selbst möglich ist. Vom Koppelsberg reicht der Blick weit über den See bis nach Bosau. Hier findet sich noch heute die ehemalige Bischofskirche, die die Erinnerung an die kämpferischen Zeiten der Christianisierung Holsteins bewahrt. Nun besänftigen die ruhigen Wasser des Sees die stürmische Vergangenheit.

Die Abendstille des Sees bildete die Spiegelfläche für die oft schwierigen Beziehungen zwischen Klienten, Patienten und Lernenden einerseits und Psychologen, Ärzten, Lehrern und Pflegenden andererseits. In den Falldarstellungen dominierten schwere Konflikte, oft mit Autoaggression und Selbstdestruktion, beschädigtes und behindertes Leben, psychische Erkrankungen bis hin zum Selbstmord und Krebserkrankungen.

Unter der Folie wissenschaftlicher Meinungsverschiedenheiten verbargen sich ,,mörderische” Bruder- und Generationszwiste fast wie zu mittelalterlicher Zeit. Heutige Machtkämpfe zwischen herrschender Wissenschaftsmeinung und sorgfältiger individueller Fallbearbeitung spiegelten sich in den Fällen, die in der Gruppen vorgestellt wurden. In der Gruppenarbeit brachten die Gruppenmitglieder viele neue Aspekte zu dem jeweiligen Fall zusammen. So konnten subjektive Einengungen erweitert werden und ein analytisch umfassenderes Verständnis erreicht werden.Manchmel ergaben sich Lösungen und Wege für einen Neubeginn. So klang das Thema Versöhnung (laut Etymologisches Wörterbuch: ältere Form versühnen, einen Streit zwischen Gegnern schlichten, Frieden zwischen jemandem (sich) und anderen stiften, ahd. ,,firsuonen sühnen, ausgleichen” 9 Jh.) [1], welches Haus und See signalisierten in vielen der besprochenen Fälle an.

Versöhnung mit dem Alter war das Thema des Vortrages von Professor Dr. R. D. Hirsch aus Bonn. Er führte aus, dass vieles an der negativen Sicht des Alters als Projektion einer auf Jugendlichkeit fixierten Gesellschaft gesehen werden kann.

Er plädierte für eine humorvolle entspannte Einstellung, um mit den Beschwerlichkeiten des Alters umzugehen. Diese heitere Selbstdistanzierung präsentierte er selbst perfekt in seinem Vortrag, der mit lang anhaltendem Beifall bedacht wurde.

In den Pausen blieb genügend Zeit für fallbezogenen und privaten Austausch unter den Teilnehmern. Die gute Bewirtung fand ihren Höhepunkt in einem gemütlichen Grillabend im Freien mit dem schönen Seeblick in allen Farben der Dämmerung und der Dunkelheit bis zu den Lichtern der Nacht.

Beim Abschied am Sonntag war allgemeiner Konsens: Im nächsten Jahr treffen wir uns wieder in Plön am See.[]

Foto: H. König

  • 1 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, hrsg. von Wolfgang Pfeiffer. 1999: S. 1510

Dr. Rosemarie Donhuijsen-Ant

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Email: R.Donhuijsen-Ant@t-online.de

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