Fragestellung: Dass ein Intensivaufenthalt bei den Patienten zu einer ausgeprägten Muskelatrophie
und beträchtlichem Muskelmasseverlust führt, ist allgemein bekannt. Bislang erwies
es sich jedoch als schwierig, diesen Verlust an Muskelmasse schon auf der Intensivstation
mit einem relativ einfach handzuhabenden Instrument objektiv zu erfassen. Deswegen
ist die publizierte Datenlage über Auswirkungen der Liegedauer auf die Muskelmasse
von Intensivpatienten relativ spärlich. Im Rahmen dieser Pilotstudie wurde daher erstmals
versucht, Ultraschallmessungen zur Bestimmung der Muskeldicke der Mm.vastus intermedius
und rectus femoris des M. quadriceps femoris als einfach handzuhabendes Instrument
zur Untersuchung der Muskelatrophie auf Intensivstationen zu erproben und gleichzeitig
Zusammenhänge zwischen der Liegedauer von Intensivpatienten mit deren Muskelmasseverlust
zu dokumentieren.
Methode: 72 Intensivpatienten (Aufenthalt an der Intensivstation: 1–98 Tage, m:f=20:52, Alter
55±16) wurden in diese Querschnittsstudie (einzeitig) eingeschlossen. Zunächst wurden
wesentliche demographische (Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Körperoberfläche) und
klinische Daten (Grund- und Begleiterkrankungen, Medikation, Liegedauer auf der Intensivstation)
der Patienten erfasst. Weiters wurden mittels Maßband eine Umfangmessungen der Oberschenkelmuskulatur
an definierten Punkten durchgeführt. Die Ultraschallmessung am Oberschenkel zur Bestimmung
der Muskeldicke der Mm. vastus intermedius und rectus femoris des M. quadriceps femoris
erfolgte ebenfalls an definierten Punkten. Die erhobenen demographischen und klinischen
Parameter wurden mit den Ergebnissen der Umfangmessung und der Ultraschalluntersuchung
für die Muskeldicke korreliert.
Ergebnis: Für die Muskeldicke zeigte sich eine hochsignifikante negative Korrelation mit der
Liegedauer der Intensivpatienten (p<0,0001). Diese deutliche Abnahme der Muskeldicke
erfolgte vor allem innerhalb der ersten zwei Wochen des Intensivaufenthalts. Nach
diesem Zeitraum konnten nur mehr geringe Muskelmasseverluste (Verminderungen der Muskeldicke)
objektiviert werden.
Diskussion: Die Ultraschallmessungen zur Bestimmung der Muskeldicke der Mm.vastus intermedius
und rectus femoris des M. quadriceps femoris erwiesen sich im Rahmen eines intensivmedizinischen
Settings als einfach handzuhabendes und gut einsetzbares Instrument zur Erfassung
der Muskelatrophie der Patienten. Im Rahmen dieser Pilotstudie konnte unter Verwendung
der beschriebenen Ultraschallmessung gezeigt werden, dass Intensivpatienten besonders
innerhalb der ersten 2 Wochen des Intensivaufenthaltes eine ausgeprägte Muskelatrophie
erleiden. Danach stellt sich ein Plateaueffekt ein, wodurch sich die Ausprägung des
weiteren Muskelmasseverlusts deutlich vermindert. Diese ersten Ergebnisse unterstreichen
einmal mehr die Notwendigkeit eines frühestmöglichen Beginns der Muskelatrophieprophylaxe
bei Intensivpatienten.