Der Klinikarzt 2005; 34(8/09): XXIV
DOI: 10.1055/s-2005-917950
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sepsispatienten profitieren von immunmodulatorischen Effekten - Erst die Fettkomponente macht die parenterale Ernährung komplett

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Publication Date:
05 October 2005 (online)

 

Metin Senkal

Noch bis vor kurzem dienten Lipidemulsionen, die im Rahmen der parenteralen Ernährung appliziert werden, hauptsächlich als Energielieferant. Fette können jedoch viel mehr: Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl zum Beispiel sind Metaboliten, die immunmodulatorische, antithrombotische und antiinflammatorische Effekte induzieren können - eine viel versprechende Option gerade bei kritisch kranken Patienten. Eine neu entwickelte Fettemulsion, welche die Vorteile vier verschiedener Lipidkomponenten verbindet, ist SMOFlipid® von Fresenius Kabi, Bad Homburg. Neben langkettigen Fettsäuren aus Sojabohnenöl (30%) und mittelkettigen Triglyceriden (30%) enthält diese Lipidemulsion auch Oliven- (25%) und Fischöl (15%) (SMOF). Wir fragten PD Metin Senkal, Witten, nach seinen persönlichen Erfahrungen mit dieser neuen Fettemulsion.

klinikarzt: Welchen Einfluss hat die parenterale Ernährung auf das Outcome kritisch kranker Patienten, und welche Rolle spielen Fettemulsionen dabei?

PD Metin Senkal: Die klinische Ernährung kritisch kranker Patienten ist neben anderen Behandlungsmaßnahmen ein wesentlicher Bestandteil der Intensivtherapie. Wir wissen inzwischen, dass die parenterale Ernährung das klinische Outcome dieser Patienten wesentlich beeinflusst und beispielsweise die Komplikationsrate senkt. Fettsäuren und Fette sind dabei nicht nur Kalorienträger, sondern haben auch pharmakodynamische Effekte.

klinikarzt: Welche Fettemulsionen stehen derzeit für den Einsatz in der Klinik zur Verfügung?

Senkal: Seit einigen Jahren verwenden wir in Deutschland ein Gemisch aus mittelkettigen und langkettigen Triglyceriden. Neuere Fettemulsionen enthalten darüber hinaus noch andere Komponenten, wie mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, die aus Fischöl gewonnen werden. Von diesen erhofft man sich besondere immunmodulatorische Signalwirkungen im Körper, um zum Beispiel den Überschuss an frei gewordenen Mediatoren bei einer septischen Reaktion und die anschließende Immundepression zu kontrollieren. Durch die Kombination mehrerer Fettkomponenten wie sie im SMOF-Konzept verwirklicht wurden, können diese Effekte möglicherweise optimiert werden.

klinikarzt: Bei welchen Patienten haben Sie SMOF eingesetzt und welche Kriterien lagen ihrer Entscheidung zugrunde?

Senkal: Eingesetzt habe ich die neue Fettemulsion bei Patienten, bei denen ich vom pathophysiologischen Verständnis her eine enorme Mediatorenausschüttung aufgrund der Sepsis erwartet habe - zum Beispiel hatten zwei Patienten nach einer notwendig gewordenen Darmresektion eine fulminante Sepsis entwickelt, eine andere Patientin litt nach einer Ovarialzystenoperation an einer Streptokokkensepsis. Insbesondere war dabei von Bedeutung, die pharmakodynamische, immunmodulatorische Wirkung der Lipidemulsion möglichst frühzeitig zum Einsatz zu bringen. Die Ernährungstherapie stand in diesen Fällen erst an zweiter Stelle, da bei solchen kritisch kranken Patienten in der Regel eine gestörte Substratutilisation vorliegt.

klinikarzt: Was war das Besondere am Verlauf der Erkrankung nach der Gabe von SMOF?

Senkal: Der wesentliche Punkt war, dass wir - verglichen mit unseren bisherigen Erfahrungen - eine erheblich schnellere Genesung der Patienten erlebt haben. Anhand dieser Ergebnisse kann ich sagen, dass kritisch kranke Patienten mit den Zeichen einer septischen Inflammationsreaktion oder einer Sepsis möglichst frühzeitig SMOF erhalten sollten - zum einen, um eine Immunmodulation zu induzieren, zum anderen aber auch als Bestandteil der parenteralen Ernährung.

klinikarzt: Wo sehen Sie die Rolle kombinierter Fettemulsionen in der Zukunft?

Senkal: Mit der neuen Fettemulsion haben wir schon eine recht gute Emulsion, auch für die Bewältigung zukünftig anfallender Probleme. Sie ist sehr ausgewogen und ausgereift und wird gerade in der Ernährung von kritisch kranken Patienten eine wichtige Rolle einnehmen.

klinikarzt: Viel diskutiert wird derzeit über die evidenzbasierte Medizin. Ist ein solches Vorgehen auch im Bereich der klinischen Ernährung sinnvoll und machbar?

Senkal: Um jede pathophysiologisch sinnvolle ernährungstherapeutische Maßnahme nach evidenzbasierten Kriterien zu prüfen, bräuchten wir viele verschiedene Studien mit wahrscheinlich mehreren Tausend Patienten. Eine solche Medizin wäre wahrscheinlich weder machbar noch zu bezahlen. Glücklicherweise liegen uns viele Untersuchungen vor, die den Einfluss immunmodulatorischer Substrate und der Ernährung auf bestimmte physiologische Mechanismen belegen. Daher meine ich, dass es bei ernährungsmedizinischen Maßnahmen gerechtfertigt ist, auch nach empirischen Vorgehensweisen zu urteilen.

Herr Dr. Senkal, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

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