Psychiatr Prax 2005; 32(7): 372-373
DOI: 10.1055/s-2005-919728
Fortbildung und Diskussion
Offener Brief
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Anstaltsneubau in Gütersloh

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Publication Date:
11 October 2005 (online)

 

Im November 2004 hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe den "Grundsatzbeschluss zur Errichtung eines Neubaus für vier psychiatrische Stationen, inklusive Intensiveinheit, auf dem Gelände" der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie gefasst. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 9670000 . Auf dem Gelände des Fachkrankenhauses soll ein Neubau mit 88 Krankenhausbetten entstehen.

Trotz gravierender Einwände und Bedenken hat der Landschaftsverband aktuell öffentlich bekräftigt, an seinen Planungen festhalten zu wollen. Diese Planungen führen die Bemühungen der letzten Jahrzehnte um die Integration von Psychiatrie und Psychotherapie in die übrige Medizin ad absurdum: Mit einem Neubau auf dem Gelände eines isolierten Sonderkrankenhauses wird die Trennung zwischen Psychiatrie und Psychotherapie und der klinischen Medizin über lange Zeit hinweg zementiert. Eine solch rückschrittliche Entwicklung widerspricht den vielfach geäußerten, überzeugenden Patientenwünschen, den Bedürfnissen der Angehörigen und lässt sich schon gar nicht fachlich begründen. Eine der zentralen Voraussetzungen für eine sinnvolle und von Akzeptanz getragene Krankenhausbehandlung wird so auch in Zukunft unmöglich: In Gütersloh würden weiterhin psychisch kranke und körperkranke Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht "durch die gleiche Krankenhauspforte" gehen wie andere Patientinnen und Patienten. Die Realisierung dieses Planes würde die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen festschreiben und eine angemessene Krankenhausbehandlung unnötig erschweren. Warum wird dieser Neubau nicht an einem der Gütersloher Allgemeinkrankenhäuser errichtet?

Geradezu zwangsläufig liefern solche Sonderlösungen stichhaltige Begründungen für ein paralleles Versorgungssystem. Besonders mit dem - zutreffenden - Argument, dass psychosomatische und psychotherapeutische Kompetenzen in der klinischen Medizin gestärkt und ausgebaut werden müssten, erfolgen Plädoyers für die Errichtung zusätzlicher Krankenhausbetten für Psychosomatik bzw. Psychotherapeutische Medizin. Der Gütersloher Weg wird dazu führen, dass es dort auch in Zukunft keinen alltäglichen und selbstverständlichen Austausch zwischen Psychiatrie und Psychotherapie und den körpermedizinischen Disziplinen geben wird. Dann wird man mit Recht darauf verweisen können, dass durch einen Bettenneubau auf dem Gelände eines solitären Fachkrankenhauses die Implementierung und die Weiterentwicklung psychotherapeutischer und psychosomatischer Kompetenzen in der Körpermedizin erschwert ist und darüber hinaus die Mitbehandlung von Körperkrankheiten - gerade auch in Notfallsituationen - bei psychisch kranken Menschen eine viel zu hohe Schwelle hat. Mit allem Nachdruck wenden wir uns gegen die geplante Insellösung und fordern die Entscheidungsträger auf, ihre anachronistischen Planungen zu revidieren und einen nachhaltigen Beitrag gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen und für die Integration von Psychiatrie und Psychotherapie in die klinische Medizin zu leisten.

Karl. H. Beine, Hamm

Sprecher Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland

Dieser Text ist als PDF-Datei auf der Homepage des Arbeitskreises www.ackpa.de unter der Rubrik "Aktuelles" als PDF-Datei einsehbar.

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