Der Klinikarzt 2005; 34(10): XII
DOI: 10.1055/s-2005-919760
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Cetuximab in der First-line-Therapie des Kolonkarzinoms - Neue Studie zeigt erstmals ein medianes Überleben von 30 Monaten

Further Information

Publication History

Publication Date:
04 November 2005 (online)

 

G. Folprecht

Nachdem der monoklonale Antikörper Cetuximab (Erbitux®) sich in der Second-line-Behandlung des metastasierenden Kolonkarzinoms bereits etabliert hat, belegen nun erste Daten einen möglichen Effekt der Substanz zur Verlängerung des Überlebens auch in der First-line-Therapie. Wie diese Daten zu bewerten sind und welche zusätzlichen Effekte sich in der Studie zeigten, erläutert Dr. G. Folprecht, Dresden, im Gespräch.

klinikarzt: Welche Rationale liegt dem Einsatz von Cetuximab in der First-line-Therapie des metastasierenden Kolonkarzinoms zugrunde?

Dr. G. Folprecht: Der EGFR-Inhibitor Cetuximab hat seine Effektivität in der Therapie des Kolonkarzinoms nach Irinotecan-Versagen nachgewiesen. Aufgrund der synergistischen Wirkung mit Irinotecan scheint sogar eine Steigerung der Wirksamkeit in der Erstlinienbehandlung möglich - eine Option, die in unserer Phase-I/II-Studie überprüft werden sollte.

klinikarzt:  Diese Untersuchung haben Sie im Rahmen des Weltkongresses für gastrointestinale Karzinome (WCGIC) in Barcelona präsentiert. Können Sie die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Folprecht: Wir konnten belegen, dass das verwendete Schema aus Cetuximab (Infusion 400 mg/m2 gefolgt von 250 mg/m2 wöchentlich) plus 80 mg/m2 Irinotecan sowie 5-Fluorouracil/Folsäure (5-FU) sicher und praktikabel ist, insbesondere bei einer 5-FU-Dosis von 1500 mg/m2. 67% der Patienten sprachen auf diese First-line-Therapie an, bei weiteren 29% der Patienten stabilisierte sich die Erkrankung. Mit Außnahme von einem Patienten konnte also bei allen Studienteilnehmern eine Tumorkontrolle erreicht werden. Die mediane Überlebenszeit betrug 33 Monate.

klinikarzt: Wie ist diese außerordentlich gute Überlebenszeit zu bewerten?

Folprecht: Aus der First-line-Therapie mit Cetuximab gab es bis dahin keine Überlebensdaten. Die mediane Überlebenszeit von 33 Monaten weist jedoch darauf hin, dass die bisher erreichten Ergebnisse mit einer konsequent durchgeführten Chemotherapie wie FOLFIRI oder FOLFOX von etwa 20 Monaten durch die Einführung des Antikörpers in die Therapie übertroffen werden können. Allerdings waren aufgrund der relativ geringen Patientenanzahl in unserer Studie mit 21 Patienten die Vertrauensintervalle sehr weit.

Die Untersuchung war andererseits nicht darauf angelegt, besonders ausgewählte Patienten zu behandeln. Einschlusskriterium der Studie war generell ein eingeschränkter Karnofsky-Index. Daher gibt die Studie einen deutlichen Trend wieder, welche Überlebenszeiten erreichbar sein könnten.

klinikarzt: Wie verträglich war die Therapie?

Folprecht: Die Verträglichkeit der Therapie war relativ gut. Als häufigste Nebenwirkung wurde eine akneähnliche Hauterscheinung, der so genannte Rash, beobachtet, den die Patienten jedoch relativ gut tolerierten. Als bedrohlichste Nebenwirkung erwies sich die vor allen Dingen durch die Chemotherapie verursachte Diarrhö, sodass wir bei vielen Patienten die Dosis reduzierten, um die Verträglichkeit zu gewährleisten.

klinikarzt: Im Rahmen der Studie waren primär nicht operable Patienten eingeschlossen worden. Konnte die Therapie eine Resektabilität induzieren?

Folprecht: An dieser Studie nahmen Patienten mit Metastasen von einem Kolon- oder Rektumkarzinom teil. Ziel war nicht, nur Patienten zu behandeln, die ausschließlich Lebermetastasen haben. Trotzdem ließen sich insgesamt bei vier Patienten sekundäre Resektionen durchführen. Bei einer weiteren Patientin wäre eine Resektion möglich gewesen. Wir fanden in einer Literaturuntersuchung, dass hohe Tumorrespons-Raten mit einer erhöhten Resektionsrate an Metastasen korrelieren und andererseits eine Leberresektion zu einem besseren Langzeitüberleben führen kann. Insofern hat die relativ hohe Rate an Leberresektionen in unserer Studie wahrscheinlich zum guten Gesamtüberleben beigetragen.

klinikarzt: Wie schätzen Sie den zukünftigen Stellenwert der Cetuximab-Therapie ein?

Folprecht: Cetuximab hat momentan einen gesicherten Stellenwert in der Zweit- und Drittlinientherapie des metastasierenden Kolonkarzinoms. Da die bisherigen Ergebnisse ermutigend sind, vermute ich, dass dieser Antikörper zukünftig auch einen Platz in der Erstlinienbehandlung einnehmen wird. Hierzu ist eine Bestätigung der bisher beobachteten Ergebnisse in zurzeit durchgeführten Phase-III-Studien notwendig.

Sollten sich die hohen Ansprechraten wiederholen lassen, so könnte sich ein besonderer Vorteil für primär nicht resektable Patienten mit Lebermetastasen abzeichnen. Wird die Verträglichkeit der Cetuximab-Kombinationen im Rahmen großer Studienkonzepte zur First-line-Therapie belegt, gehe ich davon aus, dass Cetuximab plus Irinotecan oder Oxaliplatin (und 5-FU) auch eine sinnvolle palliative Erstlinientherapie ist.

Herr Dr. Folprecht, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

    >