Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(1): 34-35
DOI: 10.1055/s-2005-921223
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotikatherapie der Sepsis

Treatment of Sepsis with AntibioticsT.  Ziegenfuß1
  • 1Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, St. Josef Krankenhaus Moers
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Publication Date:
27 January 2006 (online)

Die Bedeutung der Antibiotikatherapie für die Behandlung der Sepsis wird durch viele Beobachtungsstudien unterstrichen. So bewirkte in einer 2000 publizierten Untersuchung eine initial adäquate Antibiotikatherapie gegenüber einer inadäquaten Therapie eine Letalitätssenkung um mehr als die Hälfte (von ca. 62 % auf 28 %) [4]. Die initial adäquate Therapie ist um so wichtiger bei schwerem Krankheitsverlauf: Die Letalitätsreduktion durch adäquate Antibiotikatherapie bei schwerer Sepsis war in einer anderen Untersuchung deutlich stärker (42 % Reduktion) als bei Sepsis ohne Organdysfunktion (20 %) [3]. Hier wurde die Antibiotikatherapie dann als adäquat angesehen, wenn innerhalb von 24 h nach Aufnahme auf die Intensivstation mindestens ein auf den später nachgewiesenen Erreger wirksames Antibiotikum in ausreichender Dosierung gegeben wurde [3]. 24 h sind allerdings wohl ein allzu liberales Zeitfenster, denn wahrscheinlich kann bereits eine Verzögerung um wenige Stunden die Prognose verschlechtern; so empfiehlt die Surviving Sepsis Campaign (SSC) unmißverständlich [2]: „Beginnen Sie die intravenöse Antibiotikagabe innerhalb der ersten Stunde nach Feststellung der schweren Sepsis!”

Bei der Frage, welche Erreger durch die initiale Antibiotikatherapie zu erfassen sind, sind vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen: Ist die Infektion außerhalb oder innerhalb des Krankenhauses erworben? Welche Organinfektion ist der wahrscheinliche Ausgangspunkt? Hat der Patient eine vorbestehende Grunderkrankung oder Medikation, die zu bestimmten Erregern disponiert? Bekanntlich ist bei innerhalb des Krankenhauses erworbenen Infektionen und bei bereits Antibiotika-vortherapierten Patienten mit multiresistenten Erregern wie MRSA, Pseudomonas aeruginosa oder anderen meist hochresistenten Nonfermentern oder ESBL-produzierenden Enterobakterien zu rechnen. Pilze sind in etwa 5 % der Fälle Auslöser einer Sepsis und vor allem bei Immunsuppression, Neutropenie oder Breitspektrum-Antibiotika-Vortherapie in Betracht zu ziehen; eine generelle Indikation zur Antimykotikagabe im Rahmen der kalkulierten Sepsistherapie wird zur Zeit nicht gesehen [1].

Zur initialen kalkulierten Therapie gibt es aktuelle nationale und internationale Empfehlungen, die allerdings nicht schematisch, sondern nur (und dann ggf. modifiziert) vor dem Hintergrund einer gründlichen Kenntnis der hauseigenen lokalen Resistenzsituation umgesetzt werden sollten.

Die „nationalen” Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) 2004 zur kalkulierten Initialtherapie der (nosokomialen) Sepsis bei unbekanntem Erreger und unbekanntem Infektionsherd sehen kurzgefasst folgendermaßen aus [8]: Die Basis der Therapie stellt üblicherweise die Gabe eines pseudomonaswirksamen Breitspektrum-Beta-Laktam-Antibiotikums dar, d. h. ein Acylureidopenicillin plus Beta-Laktamaseinhibitor (BLI), wie etwa Piperacillin/Tazobactam, oder ein Cephalosporin der Gruppe 4 (Cefepim) oder ein Carbapenem der Gruppe 1 (Meropenem oder Imipenem/Cilastatin); alternativ wird ein Flurochinolon der Gruppe 2 oder 3, also Ciprofloxacin oder Levofloxacin, empfohlen. Zur Therapie der außerhalb des Krankenhauses erworbenen Sepsis ist üblicherweise keine Wirksamkeit gegen hochresistente Gram-negative Erreger wie Pseudomonas spp. erforderlich, d.h es reichen meist ein Aminopenicillin +/- BLI, ein Cephalosporin 2/3a (z. B. Cefuroxim oder Ceftriaxon) oder das Gruppe 2 Carbapenem Ertapenem aus, und bei straßenerworbenen Atemwegsinfektionen kommt auch das Gruppe 4 Chinolon Moxifloxacin infrage. Obwohl in Metaanalysen kein Vorteil einer initialen Kombinationstherapie mit Aminoglykosiden aufgezeigt werden konnte [7] und es zur Kombinationstherapie mit Chinolonen kaum Daten gibt, wird von der PEG bei schwerer Sepsis grundsätzlich die Kombination des Beta-Laktams mit einem Aminoglykosid (z. B. Gentamicin) oder einem Chinolon empfohlen; letzteres wird in den PEG-Empfehlungen insbesondere bei pulmonalem Sepsisherd bevorzugt.

Die „internationalen” Empfehlungen der SSC [1] sind im Kern ähnlich; sie betrachten üblicherweise eine Monotherapie mit einem der oben erwähnten Breitspektrum-Beta-Laktam-Antibiotika als ausreichend, sehen jedoch (trotz der negativen Ergebisse der Metaanalysen) in der Kombination mit Aminoglykosiden eine akzeptable Option bei schwerer Sepsis und empfehlen die Kombinationstherapie explizit bei Hinweisen auf eine Pseudomonasinfektion und bei neutropenischen Patienten.

Der wichtigste Unterschied zwischen den aktuellen Empfehlungen der PEG [8] und denen der SSC [1] liegt wohl in der unterschiedlichen Bewertung der Fluorochinolone: Während die PEG ihnen sowohl als Monotherapeutika als auch als Kombinationspartner der Betalaktame einen sehr hohen Stellenwert einräumt, wird von der SSC eine Monotherapie der Sepsis mit Chinolonen aufgrund der Lücken im Spektrum explizit als inadäquat angesehen. Auch für die Kombinationstherapie der schweren Sepsis werden eher (wie traditionell üblich) Aminoglykoside empfohlen. Ein Problem der intensiven und zunehmenden Chinolonanwendung scheint die ausgeprägte Neigung dieser Substanzen zu sein, bakterielle Multiresistenzen (nicht nur gegen die Chinolone selbst, sondern auch gegen Betalaktame) auf der Intensivstation hervorzurufen, und zwar im Mittel nach bereits 7-tägiger Anwendung [6].

Zur Erfassung multiresistenter Gram-positiver Erreger werden die oben erwähnten Antibiotika bislang üblicherweise mit Vancomycin oder Teicoplanin kombiniert. Allerdings deuten neuere Daten darauf hin, dass zumindest zur Therapie der MRSA-Pneumonie Linezolid erheblich effektiver ist [5].

Literatur

  • 1 Bochud P Y, Bonten M, Marchetti O, Calandra T. Antimicrobial therapy for patients with severe sepsis and septic shock: an evidence-based review.  Crit Care Med.. 2004;  32 (11 Suppl) S495-S512
  • 2 Dellinger R P, Carlet J M, Masur H. et al . Surviving Sepsis Campaign guidelines for management of severe sepsis and septic shock.  Intensive Care Med. 2004;  30 536-555
  • 3 Garnacho-Montero J, Garcia-Garmendia J L, Barrero-Almodovar A. et al . Impact of adequate empirical antibiotic therapy on the outcome of patients admitted to the intensive care unit with sepsis.  Crit Care Med. 2003;  31 742-2751
  • 4 Ibrahim E H, Sherman G, Ward S, Fraser V J, Kollef M H. The influence of inadequate antimicrobial treatment of bloodstream infections on patient outcomes in the ICU setting.  Chest. 2000;  118 146-155
  • 5 Kollef M H, Rello J, Cammarata S K, Croos-Dabrera R V, Wunderink R G. Clinical cure and survival in Gram-positive ventilator-associated pneumonia: retrospective analysis of two double-blind studies comparing linezolid with vancomycin.  Intensive Care Med. 2004;  30 388-394
  • 6 Nseir S, DiPompeo C, Soubrier S. et al . Firstgeneration fluoroquinolone use and subsequent emergence of multiple drug-resistant bacteria in the intensive care unit.  Crit Care Med. 2005;  33 283-289
  • 7 Paul M, Benuri-Silbiger I, Soares-Weiser K, Leibovici L. Beta-lactam monotherapy versus betaa-lactam-aminoglycoside combination therapy for sepsis in immunocompetent patients: systematic review and meta-analysis of randomised trials.  BMJ. 2004;  328 668
  • 8 Vogel F, Bodmann K F. und die Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft . Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen.  Chemother J. 2004;  13 46-105

Dr. med. Thomas Ziegenfuß

Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin · St. Josef Krankenhaus Moers

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