B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22(1): 29-30
DOI: 10.1055/s-2006-921377
RECHT

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Eine kurze Geschichte der Bewegungstherapie als Einzel-Bewegungstherapie

I. Haarland
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Publication Date:
14 February 2006 (online)

Hipp, hipp, hurra! Nach Jahren zähem Ringens und Taktierens mit dem Gesundheitssystem, seinen Versorgungsstrukturen, Akteuren und täglichen Untiefen, habe ich nun erstmals eine gesetzliche Krankenkasse per Vergleich vor dem Sozialgericht zur Zahlung einer Einzel-Bewegungstherapie (Bewegungs-Coaching) überreden können.

Das jeweils einstündige Bewegungs-Coaching einer Klientin mit chronisch unspezifischem Kreuzschmerz und diversen Komorbiditäten, u. a. ausgelöst durch schwierigste berufliche Hintergrundsituation (Managerin, die vornehmlich wirtschaftsbedingt aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt wurde), honorierte die Krankenkasse angepasst an die hier sonst durchgeführte Physiotherapie.

Immerhin! Diesen kleinen Zwischensieg genießend, lehne ich mich also erst mal entspannt in meinem Bürosessel zurück, lege - selbstverständlich dynamisch und rückengesund - die Füße auf den Schreibtisch und lasse die Vorgeschichte Revue passieren.

Zur Entwicklung meines sport- und bewegungstherapeutischen Ansatzes gehörte in den letzten Jahren v. a. auch die intensive Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Untersuchungen und die Suche nach Studien und Forschungsansätzen, die mein Vorgehen innerhalb der Gruppen- und Einzeltherapien, des Coachings und Trainings unterstützen.

Es zeichne sich zunehmend ab, dass es im Gegensatz zu elektronischen Rechensystemen beim natürlichen Rechensystem Mensch keinen Unterschied zwischen Software (Programm/Geist) und Hardware (Architektur/Körper) gebe, so der Neurowissenschaftler Wolf Singer. Forschungsarbeiten in den Bereichen Medizin, Bewegungs- und Sportwissenschaften sowie neurowissenschaftliche Disziplinen legen eindrücklich nahe, dass die Wechselwirkungen zwischen Körper, Bewegung, Psyche und Umwelt sehr viel engmaschiger und eben nicht so einfach voneinander abzugrenzen sind, wie wir das wegen der einfachen Behandlungspraktikabilität gern hätten. Am Beispiel des chronisch unspezifischen Kreuzschmerzes wird das sehr deutlich.

Die Pain-Overlap-Theory von Naomi Eisenberger und Matthew Lieberman unterstreicht das, indem sie aufzeigt, dass der Körper kaum einen Unterschied zwischen sozialem und körperlichem Schmerz macht. Isolation, Alleinsein, Ablehnung, Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft, Verlust einer geliebten Person - all das ist für uns Menschen ein realer Schmerz. Anders ausgedrückt: Die drohende Gefahr des Verlustes der eigenen Horde stuft das System Mensch ähnlich bedrohlich ein wie eine Organschädigung. Beides signalisiert äußerste Gefahr für das körperliche und soziale Überleben. Und manchmal verwechselt ein Mensch einen emotionalen mit einem körperlichen Schmerz, wie beispielsweise bei den so genannten somatoformen Schmerzerkrankungen. Der Körper schmerzt dann und signalisiert Gefahr im Verzuge. Der dahinter liegende emotionale Schmerz liegt erstmal außerhalb der eigenen, momentan verfügbaren Wahrnehmung.

Wie auch immer der einzelne Mensch den Schmerz einordnet bzw. empfindet, er hat auf allen Ebenen des Systems oberste Wahrnehmungs- und Handlungspriorität und blockiert bzw. verändert deshalb andere Signal- und Übertragungswege, so auch das Bewegungs- und Ausdrucksverhalten.

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