Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(1/2): 43-44
DOI: 10.1055/s-2006-924923
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der medizinisch-industrielle Komplex: Ethische Implikationen

Zum Beitrag aus DMW30/2005E. A Göbel
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Publication Date:
22 December 2005 (online)

Der Autor des Beitrags [1] stellt dar, dass das Sponsoring von Forschung und Fortbildung in der Medizin durch die Industrie ein zweischneidiges Schwert ist, und dass Sponsoring nicht aus dem altruistisch sozialen Engagement der Industrie heraus erfolgt, sondern Teil des „knallharten“ Geschäfts ist. Kritische Ärzte, von kritischen Lehrern, z. B. Prof. Kuschinsky, geschult, wussten dies schon immer. Gilt doch nicht nur in der Medizin die alte Volksweisheit: „Wes’ Brot ich ess, des’ Lied ich sing“.

Der Autor weist aber auch darauf hin, dass ohne das Sponsoring der Industrie nur ein Bruchteil der Forschung überhaupt stattfinden könnte, weil unabhängige Stellen oder öffentliche Haushalte entweder über die notwendigen finanziellen Mittel gar nicht verfügen, oder diese nur für andere (aus deren Sicht wichtigere??) Maßnahmen zur Verfügung stellen.

Dasselbe gilt für die Fortbildung. Ein großer Kongress oder auch ein kleines Symposium lassen sich ohne Sponsoring der Industrie praktisch nicht verwirklichen. Aus welcher Quelle sollte z. B. ein am Krankenhaus angestellter Arzt Portokosten, Druckkosten, Saalmiete, Technische Ausrüstung etc. finanzieren, ganz abgesehen davon, dass auch Referenten, die auf das Honorar verzichten würden, Ausgaben für Fahrt, Übernachtung etc. haben?

Der Autor empfiehlt, dass „Medizinische Gesellschaften und Ärztevereine eine Philosophie entwickeln (sollten), die eine Industrie-unabhängige Fortbildung ....fördert.“ Eine gute Anregung! Aber das Geld, über das diese Institutionen verfügen, sind doch im Wesentlichen die Beiträge ihrer Mitglieder oder wiederum „Spenden“ der Industrie. Und jeder, der in einer solchen Vereinigung einmal Verantwortung getragen hat, weiß, dass „ungezielt“ (aus der Sicht der Industrie) kaum ein Euro zu bekommen ist.

Früher einmal galten Ärzte, wenn sie das Gröbste, die Lehrjahre, überstanden hatten, als ein finanziell gut ausgestatteter Stand. So mag es berechtigt gewesen sein, von diesen zu fordern, für ihre Fortbildung nicht nur ihre Freizeit, sondern auch eigene Mittel einzusetzen. Heute aber, da außer den wenigen, von Herrn Lauterbach immer wieder vorgeführten „Chefärzten, die Millionen verdienen“, die deutschen Ärzte mit ihrem Einkommen am unteren Rand der vergleichbaren europäischen Länder liegen, scheint es eine utopische Forderung zu sein, von diesen zu erwarten, dass sie auch noch ihre eigene Fortbildung selbst finanzieren.

Wenn schon, was durchaus zu begrüßen wäre, Forschung und Fortbildung unabhängig von industriellen Interessen stattfinden soll, dann wäre ernsthaft zu fordern, dass öffentliche Hand, Krankenkassen und Krankenhausträger in die Pflicht zu nehmen wären. Solange dort aber so getan wird, als ginge sie ärztliche Forschung und ärztliche Weiter- und Fortbildung nichts an, bleibt nur, die Ärzte zu kritischer Wahrnehmung zu animieren! Wenn man weiß, wer das „Mietmaul“ bezahlt, hört man kritisch zu, minimiert das positiv Dargestellte um 90 % und multipliziert das angedeutet kritische mit dem Faktor 5, dann dürfte man von der Wahrheit nicht allzu fern sein. Wenn man dann noch den Satz des kritischen Lehrers der Pharmakologie, Prof. Kuschinsky beherzigt: „Wenn von einem Medikament behauptet wird, es habe keine Nebenwirkung, dann ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es auch keine Wirkung hat.“ Dann darf die Industrie ruhig sponsern, nur wir Ärzte dürfen nicht leichtfertig glauben.

Literatur

  • 1 Engelhardt K. Der medizinisch-industrielle Komplex: Ethische Implikationen.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 1778-1780

Dr. med. Ernst A. Göbel

Klinikum Idar-Oberstein

Dr. Ottmar Kohler Straße 2

55743 Idar-Oberstein

Email: e.goebel.io@shg-kliniken.de

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