Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(4): 272-273
DOI: 10.1055/s-2006-925274
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ökonomische Aspekte des Ultraschalls in der Anästhesiologie

Economic Aspects of Ultrasound in AnesthesiaF.  Kefalianakis1
  • 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum Ludwigsburg
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Publication Date:
24 April 2006 (online)

Nachdem eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten des Ultraschalls in den verschiedenen Bereichen des Faches Anästhesiologie und Intensivmedizin in der Fachliteratur beschrieben worden sind, drängt sich zunehmend der Fragenkomplex auf hinsichtlich der Evaluierung betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte.

Ökonomie (οικονομια griech. Wirtschaft, Wirtschaftsführung, Sparsamkeit) gilt mittlerweile als elementarer Bestandteil einer Bewertung medizinischer Abläufe und Prozesse.

In der heutigen Zeit, in welcher das gesamte Gesundheitswesen durch eine erheblich angespannte finanzielle Lage geprägt ist, erhält eine Kosten-Nutzen-Analyse einen immer höheren Stellenwert bei der Bewertung neuer Techniken oder diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. In der anästhesiologischen Fachliteratur sind bislang nur wenige Arbeiten erschienen, die eine entsprechende Analyse nach ökonomischen Gesichtspunkten beleuchtet haben.

Die bekannteste Arbeit, welche ganz konkret die Kosten-Effizienz der Anwendung des Ultraschalls im Rahmen der Anästhesiologie und Intensivmedizin untersucht hat, wurde im Auftrag des National Health Service und dessen angegliederten National Institute of Clinical Excellence (NICE) in Großbritannien durchgeführt [1] [2]. Ca. 200 000 Anlagen zentral-venöser Katheter werden im Jahr im britischen Gesundheitswesen durchgeführt. Das Ziel war dabei, eine Evaluation der ultraschallgeführten ZVK-Anlagen unter ökonomischen Gesichtspunkten durchzuführen. Insgesamt wurden 18 verschiedene Studien, vornehmlich aus dem englischsprachigen Raum, ausgewertet. Diese Studienergebnisse wurden als Grundlage genommen für eine Festlegung der Wahrscheinlichkeiten der möglichen Komplikationsraten. Über den Vergleich der Inzidenz von einigen wenigen Komplikationsmöglichkeiten (arterielle Punktion, Fehlpunktion) mit einer entsprechenden monetären Bewertung dieser Schritte erfolgte ein Konstrukt eines ökonomischen Modells. Dieses beinhaltete Trainingsprogramme, Nutzungsdauer der Ultraschall-Geräte (auf 3 Jahre willkürlich festgelegt), Anschaffungs- und Wartungskosten. Ausgeschlossen wurden Kinder, Schwangere und Patienten mit anatomischen Abweichungen, also genau die Patientenkollektive, welche nachgewiesenermaßen insbesondere vom Ultraschall bei einer ZVK-Anlage profitieren könnten.

Die Berechnungen ergaben letztendlich, dass bei einer regelmäßigen Anwendung des Ultraschalls zur Anlage zentral-venöser Katheter bei 1000 Prozeduren ein Einsparpotential von 2840 € zu erwarten ist. Die in diesem Berechnungsmodell sich ergebenden Einsparmöglichkeiten sind als relevant und bedeutsam eingestuft worden.

Neben der ökonomischen Bewertung wurden in dieser Übersicht Forderungen laut nach einer regelmäßigen Anwendung des Ultraschalls und einer professionellen Schulung.

Die mögliche Anwendung und Übertragung dieser NICE-guidelines auf Kinder wurde in einer Untersuchung von Grebenik [3] in Frage gestellt. Die Autoren konnten in einer randomisierten Vergleichsstudie, ganz im Gegensatz zu all den bisher publizierten Studien, keine Reduktion der Punktionsversuche mit Hilfe des Ultraschalls feststellen. Die basierend auf diesen Ergebnissen durchgeführte Analyse ergab verständlicherweise keinen einsparenden Effekt. Eine Vielzahl an Untersuchungen widerspricht diesen zugrunde gelegten Ergebnissen. Nahezu alle bislang publizierten Studien, welche die Effektivität der ultraschall-gestützten Kanülierung bei Kindern untersuchte, zeigten einen Unterschied der erfolgreichen Erstpunktion von bis zu 20 %.

Einwände bezüglich der von der NICE publizierten Ergebnisse wurden ebenso in einer Arbeit von Scott [5] artikuliert. Dabei wurde zunächst kritisiert, dass die zugrunde gelegte Nutzungsdauer der Ultraschall-Geräte von ca. drei Jahren zu niedrig angelegt sei. Diese Angaben sind als unrealistisch eingestuft worden; der Autor gibt Zeiträume von mindestens 13 Jahren an. Ebenso seien die geschätzten Anschaffungs- und Wartungspreise und Kosten zur Einarbeitung zu hoch veranschlagt. Darüber hinaus wurde von dem Autor kritisiert, dass nur ein geringe Auswahl an möglichen Komplikationen bei der Anlage zentral-venöser Katheter in die Modellberechnung eingegangen sei. Insgesamt wird der Modell-Charakter der NICE-Studie dahingehend bemängelt, dass sie den wahren Einspar-Effekt der Anwendung des Ultraschalls zur Anlage zentral-venöser Katheter eher unterschätzt.

Neben der Anwendung des Ultraschalls zur Gefäßpunktion wird die Regionalanästhesie zunehmend durch den Ultraschall unterstützt. Es sollte bei einer entsprechenden Kosten-Analyse auch dieser Bereich zur ökonomischen Evaluierung betrachtet und bewertet werden. Die Literaturrecherche zeigt aber, dass diesbezüglich kaum Untersuchungen durchgeführt worden sind. Die einzige Untersuchung, die diese Fragestellung hatte, wurde von Sandhu et al. [3] durchgeführt. Dabei wurden die Kosten verglichen, welche zur Blockade des infraclaviculären Plexus brachialis mit Nervenstimulator bzw. mit Ultraschall anfielen. Es wurden insbesondere die Einmalpunktionen und die Anlagen von Kathetern analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Kosten nahezu identisch waren. Bei der Katheter-Anlage konnte ein Einsparpotenzial von ca. 14 $ pro ultraschallgesteuerter Blockade ermittelt werden. Die Begründung war, dass die Suchvorgänge und die entsprechende Anschlagzeit erheblich reduziert werden konnten.

In jüngster Zeit wird die interne Leistungsverrechnung als im Krankenhaussektor probates Instrument zur ökonomischen Steuerung der Leistungserbringung im Rahmen klinischer Strukturabläufe propagiert [4]. Insbesondere die Anästhesie als so genannter Sekundärdienstleister kann von solchen Möglichkeiten einer Leistungsverrechnung profitieren, da neben der Analyse von Prozessen und Strukturen auch ein Anreiz zur Optimierung der Effizienz sowohl beim Anforderer, als auch beim Erbringer liegt. Die aus der Selbstanalyse und Mischkalkulation erfolgte Berechnung eines Verrechnungspreises für eine definierte Anästhesieleitung für eine definierte Zeiteinheit muss regelmäßig aus zahlreichen Gründen korrigiert und angepasst werden. Hierbei stellen Lohnkostensteigerungen, Kostensteigerungen medizinischen Sachbedarfs und insbesondere Etablierung von Innovationen (fast-track-Konzept oder ultraschallgeführte Prozesse) die Hauptfaktoren einer Korrekturnotwendigkeit für eine interne Leistungsberechnung dar. Im Falle des Ultraschalls könnte - unter Berücksichtigung der bislang publizierten Zahlen - insgesamt von einer Kostenersparnis ausgegangen werden.

Eine abschließend endgültige Bewertung kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht gemacht werden, zumal laufend immer neue Einsatzgebiete und Anwendungsmöglichkeiten des Ultraschalls innerhalb der Anästhesie und Intensivmedizin beschrieben werden. Für viele einzelne ultraschallgesteuerte Prozeduren kann eindeutig - aus ökonomischer Sicht - ein Benefit nachgewiesen werden. Eine ökonomische Analyse des Ultraschalls in der Anästhesie insgesamt steht noch aus und sollte in weiteren Studien beleuchtet und quantifiziert werden. Vieles jedoch deutet darauf hin, dass der Ultraschall in der Anästhesiologie auch aus ökonomischer Sicht eine interessante Option für den klinischen Alltag darstellt.

Literatur

  • 1 Calvert N, Hind D, McWilliams R G, Thomas S M, Beverley C, Davidson A. The effectiveness and cost-effectiveness of ultrasound locating devices for central venous access: a systematic review and economic evaluation.  Health Technol Assess. 2003;  7 12
  • 2 Calvert N, Hind D, McWilliams R G, Davidson A, Beverley C, Thomas S M. Ultrasound for central venous cannulation: economic evaluation of cost-effectiveness.  Anaesthesia. 2004;  59 1116-1120
  • 3 Grebenik C R, Boyce A, Sinclair M E, Evans R D, Mason D G, Martin B. NICE guidelines for central venous access catheterization in children. Is the evidence base sufficient?.  Br J Anaesth. 2004;  92 827-830
  • 4 Sandu N S, Sidhu D S, Capan L M. The cost comparison of infraclavicular brachial plexus block by nerve stimulator and ultrasound guidance.  Anesth Analg. 2004;  98 267-268
  • 5 Schuster M, Standl T, Reißmann H, Abel K, Kuntz L, Schulte am Esch J. Reduction of anesthesia process times after the introduction of an itnernal transfer pricing system for anesthesia services.  Anesth Analg. 2005;  101 187-194
  • 6 Scott D H. Ultrasound for central venous cannulation: economic evaluation of cost-effectiveness.  Anaesthesia. 2005;  60 407

Dr. med. Fotios Kefalianakis

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