Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(4): 260-262
DOI: 10.1055/s-2006-925327
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ultraschallverfahren in der Regionalanästhesie

Ultrasound Guidance in Regional AnesthesiaU.  Schwemmer1 , J.  Brederlau1 , N.  Roewer1
  • 1Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie (Dir.: Prof. Dr. N. Roewer), Universitätsklinikum Würzburg
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Publication Date:
24 April 2006 (online)

Im letzten Jahrzehnt haben die peripheren Nervenblockaden (PNB) eine Renaissance erlebt und sich im Kreis der modernen Anästhesieverfahren etabliert. Die methodentypische effiziente Analgesie für die intra- und postoperative Phase sorgt für kurze Anästhesiezeiten. Kontinuierliche Verfahren ermöglichen bei bestimmten Eingriffen eine signifikant schnellere Rehabilitation des Patienten [1]. Bei Eingriffen an der Schulter gilt die Kombination von interskalenären Plexusblockaden und Allgemeinanästhesieverfahren als etabliertes Verfahren [2]. Voraussetzung für die Akzeptanz der PNB bei Patienten und Operateuren ist die Erfolgsrate bei der Durchführung der Blockade. Regionalanästhesieverfahren sind im Gegensatz zu Narkosen nicht immer erfolgreich. Beispielsweise wird der Blockadeerfolg für den Plexus brachialis in der Literatur mit 60 - 95 % angegeben [3]. Der Erfolg aller Blockaden hängt unmittelbar von der Wirkmenge des Lokalanästhetikums (LA) am Zielnerv zusammen. Damit stellt das erfolgreiche Einbringen des LA an den Nerv die zentrale Aufgabe für den Anästhesisten dar.

Sonographiegeräte sind in der Lage, die Reflektionen der Schallwellen aus dem Körper in Ultraschallbilder umzuwandeln. Durch die Entwicklung von hoch auflösenden Schallköpfen können auch Strukturen mit einer Größe von wenigen Millimetern sichtbar gemacht werden. Im Frequenzbereich zwischen 7 und 15 MHz lassen sich Nerven und Begleitstrukturen bis in einer Tiefe von ca. 5 cm darstellen. Da sich die meisten Nerven und Plexusstrukturen in diesem Bereich befinden, stellt Ultraschall eine Alternative zur etablierten Nervenstimulation dar [4].

Erste Untersuchungen zur Darstellung von Nerven mittels Ultraschall wurden von Fornage durchgeführt [5]. 1995 zeigte Silvestri, dass Nerven und Sehnen anhand ihrer typischen Struktur im Ultraschallbild voneinander unterschieden werden können. Er fand für beide eine klare Korreleation der histologischen und sonographische Darstellung [6]. Sonographische Untersuchungen zur Anatomie des Plexus brachialis und des Nervus ischiadicus konnten die Abbildbarkeit sowie die Lagevariabilität der einzelnen Faszikel und Nerven zeigen [7] [8] [9] [10].

Durch die Bildgebung erschließen sich dem Anästhesisten - im Gegensatz zur Nervenstimulation - weitere Informationen. Alle wesentlichen Strukturen, die in unmittelbarer Nähe zu den Nerven verlaufen, sind im Blick des Anästhesisten. Durch die Visualisierung kann die für die Nervenblockade vorgesehene Punktionsstelle individuell so modifiziert werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen dieser Begleitstrukturen weiter reduziert werden kann. Beispielsweise lassen sich akzidentelle Punktionen von Begleitgefäßen mit der Sonographie annähernd verhindern [11] [12] [13] [14]. Bei supra- und infraklavikulären Plexusblockaden besteht die Gefahr einer unbeabsichtigten Punktion von Pleura und Lungengewebe trotz korrekt durchgeführter Punktion [15]. Zur Reduktion dieses Risikos wurden Modifikationen der Punktionstechnik publiziert, die sich an anatomischen Landmarken orientieren [16] [17] [18]. Dennoch bleibt das Pneumothorax-Risiko bestehen, da anatomische Variationen oder Krankheiten, beispielsweise ein Lungenemphysem, zu einer Verlagerung der Lunge führen können. Erfolgt die Punktion unter sonographischer Führung, kann durch die individuelle Modifikation der Stichrichtung die Kanüle ohne Verletzung der Pleura zum Plexus geführt werden [11] [13] [19] [20]. Unter Verwendung der Sonographie zur PNB sind Verletzungen der Pleura bei Blockaden des Plexus brachii bislang noch nicht publiziert worden.

Durch die Verwendung bildgebender Verfahren ist es über die Darstellung von Gewebestrukturen hinaus auch möglich, das eingebrachte LA darzustellen. Im Gegensatz zu Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmitteln oder der Kernspintomographie können sowohl die Injektion als auch die Beurteilung der Ausbreitung des LA bettseitig und ohne zusätzliche Strahlenbelastung erfolgen. Das injizierte LA - Flüssigkeit ist annähernd echofrei - stellt sich im Ultraschall als schwarze Fläche dar. Lediglich im LA eingeschlossene Luftbläschen geben starke Echos. Bei der Injektion umfließt das LA vorhandene Strukturen und verteilt sich in alle Gebiete, die nicht durch Faszien oder Bindegewebe abgegrenzt werden. Ting und Sivagnanaratnam konnten 1989 bei axillären Plexusblockaden die Lage der Kanüle und die Verteilung des LA in der Gefäß-Nervenscheide zeigen [21].

Die Darstellung der Ausbreitung während der Injektion stellt einen wesentlichen Vorteil ultraschallgeführter Nervenblockaden dar. Im Gegensatz zu allen Verfahren ohne Bildgebung ist es mit Ultraschall möglich, während der Injektion zu überprüfen, ob die Zielnerven vom LA erreicht werden. PNB umfassen Blockaden einzelner Nerven sowie Blockaden von Nervenbündeln. Während sich mit der Nervenstimulation immer nur ein Zielnerv identifizieren lässt, ermöglicht die Ultraschallbildgebung eine Beurteilung aller Zielstrukturen zueinander und die adäquate Ausbreitung des LA. Vorhandene Barrieren, die eine regelhafte Ausbreitung des LA verhindern, sind nur mit dieser Methode zu detektieren. Einzelnerven, wie der Ischiasnerv, sind von einer kräftigen Bindegewebshülle umgeben [22]. Aber auch für die axilläre Plexusanästhesie sind einzelne Kompartimente nachgewiesen [23]. Erreicht das LA trotz erfolgreicher Nervenstimulation in der Folge einer Barriere bei der Injektion nicht den Nerv, resultiert daraus eine für die Operation ineffektive Nervenblockade. Die Möglichkeit der Überwachung der Injektion mittels Ultraschall ermöglicht eine gezielte Verteilung des LA. Ziel bei der Injektion des LA ist eine Umhüllung des Nervs mit LA. Damit lässt sich eine erfolgreiche Blockade bereits mit dem Abschluss der Injektion vorhersagen (Abb. [1], [2])

Abb. 1 Ischiasnerv (gefüllter Pfeil) in der Höhe des mittleren Oberschenkels vor der Injektion des LA.

Abb. 2 Ischiasnerv nach der Injektion von 20 ml LA, von LA umspült (offene Pfeile).

Im Gegensatz zur Nervenstimulation kann die Kanüle bei Fehllagen unter Sicht korrigiert werden. Eine unbeabsichtigte Injektion von LA abseits der Zielstruktur wird vermieden. Durch das gezielte Setzen des LA-Depots ist eine Reduktion der benötigten Medikamentenmenge möglich [24]. Publikationen verschiedener Arbeitsgruppen zeigen für PNB der oberen und unteren Extremität bei alleiniger Verwendung von Ultraschall Erfolgsraten von mehr als 95 % [11] [12] [13] [14] [25] [26]. Die Kombination der Sonographie mit der Nervenstimulation führt ebenfalls zu einer Verbesserung der Blockadeergebnisse, der Sicherheit und der Reduktion des Zeitaufwandes für die Blockaden [19] [20] [27].

Die zielgerichtete Injektion des LA führt zu einer Reduktion der Anschlagszeiten für die Blockaden, da zwischen Zielnerv und LA-Depot sofort direkter Kontakt besteht. Dies konnte in Vergleichsuntersuchungen mit der Methode der Nervenstimulation nachgewiesen werden [12] [19] [25].

Mit der Sonographie der Nerven steht für die PNB ein weiteres geeignetes Verfahren zur Verfügung. Mit portablen Systemen ist es möglich, ohne Veränderung der Abläufe im OP die erforderlichen Blockaden durchzuführen. Limitationen der Methode bestehen für die Identifikation der Nerven in tiefen Kompartimenten sowie in den derzeit noch relativ hohen Anschaffungskosten der Geräte.

Literatur

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U. Schwemmer

Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie

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