intensiv 2006; 14(6): 295-296
DOI: 10.1055/s-2006-926895
Literaturkommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dosierungsfehler bei i. v. Medikamenten - eine prospektive Studie an einem deutschen Krankenhaus

Hardy-Thorsten Panknin
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Publication Date:
06 December 2006 (online)

In der internationalen Literatur, besonders aus den USA, wird immer wieder über schwerwiegende Komplikationen bei der Gabe von i. v. Medikamenten berichtet. Auch aus England liegen entsprechende Daten einer kürzlich publizierten Studie vor, die überraschenderweise gezeigt hat, dass bei nahezu 50 % aller i. v. Applikationen Fehler gemacht werden. In 1 % der Fälle waren die Zubereitungs- und Applikationsfehler sogar potenziell gefährlich. Aus Deutschland sind dagegen prospektiv gesammelte Daten zu dieser Frage kaum verfügbar. Eine Arbeitsgruppe um Dr. K. Taxis vom pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen hat nunmehr erstmals an einem 600-Betten-Krankenhaus in Deutschland eine direkte Beobachtungsstudie hierzu durchgeführt [1].

Die Studie fand auf einer peripheren chirurgischen Station sowie einer chirurgischen Intensivstation statt. Auf beiden Stationen wurden die angeordneten i. v. Medikamente vom Pflegepersonal aufgezogen und appliziert. Auf der Intensivstation war das Pflegepersonal befugt, sowohl Infusionen vorzubereiten und anzuschließen als auch i. v. Einzelinjektionen in liegende Gefäßzugänge vorzunehmen. Auf der Normalstation war dagegen nur das Anschließen von Infusionen durch die Pflegekräfte üblich, Bolusdosierungen wurden, falls erforderlich, von Ärzten durchgeführt. Auf der Normalstation wurden die Anordnungen während der ärztlichen Visite in Papierform notiert und später vom Pflegepersonal in die Kurve und in einen Spritzenplan übertragen, während auf der Intensivstation eine elektronische Patientenakte geführt wurde, aus der die Anordnungen direkt abgearbeitet wurden.

Die Fehler bei der Gabe von i. v. Medikamenten wurden wie folgt eingeteilt (Tab. [1]).

Tab. 1 Einteilung der Fehler bei i. v. Applikationen Art des Fehlers Beispiel Fehler bei der Herstellung bzw. beim Auflösen eines Medikamentes Auflösen eines Medikamentes mit einem anderen als dem in der Packungsbeilage angegebenen Lösungsmittel Kombination von physikalisch/chemisch inkompatiblen Substanzen rasch aufeinander folgende Verabreichung von Medikamenten, die bei Kontakt miteinander auskristallisieren, über den gleichen Venenzugang Kombinationen oder aufeinander folgende Gabe von Medikamenten, deren Effekt sich in gefährlicher Weise addieren kann Aufeinander folgende Gabe von Propofol (Kurznarkotikum), Midazolam (Sedativum) und Piritramid (Opioid-Analgetikum) aufgrund von Übertragungsfehlern zu schnelle Injektion von Bolusdosen i. v. Injektion von Opiaten innerhalb von wenigen Sekunden

Insgesamt erklärten sich 22 Pflegekräfte bereit, an der Beobachtung teilzunehmen. Diese wurden auf den beiden Stationen an 13 Beobachtungsterminen innerhalb eines Monats durchgeführt. In diesem Monat wurden 357 Applikationen von 18 verschiedenen i. v. Medikamenten angeordnet, von denen 122 Applikationen (34 %) beobachtet werden konnten. Alle Beobachtungen wurden von einem Pharmakologen vorgenommen. 87 Beobachtungen fanden auf der Normalstation, 35 auf der Intensivstation statt. Insgesamt waren 58/122 (48 %) der i. v. Applikationen fehlerhaft, wobei einige Applikationen mehrere Fehler beinhalteten. Die Verteilung der Fehler auf die verschiedenen Kategorien und die potenziellen Folgen sind in Tab. [2] zusammengefasst. Die häufigsten Fehler betraf die rasch aufeinander folgende Applikation von Substanzen, die nicht miteinander kompatibel waren. In dieser Fehlerkategorie kamen auch 3 schwere Fehler vor.

Tab. 2 Art und Schweregrad der Fehler Schweregrad des Fehlers (Prozentwert in Klammern) Art des Fehlers gering mäßig schwer gesamt Fehler bei der Zubereitung bzw. beim Auflösen eines Medikamentes falsches Lösungsmittel 22 (18) 2 (2) 0 24 (20) falsche Substanzmenge 0 3 (2) 0 3 (2) Weglassen eines Bestandteils 0 1 (1) 0 1 (1) Zugabe einer nicht angeordneten Substanz 0 2 (2) 0 2 (2) Fehler bei der i. v. Gabe zu schnelle Bolusgabe 0 2 (2) 1 (1) 3 (2) Inkompatibilität 0 28 (23) 3 (2) 31 (25) andere 0 1 (1) 0 1 (1)

Literatur

  • 1 Taxis K, Barber N. Incidence and severity of intravenous drug errors in a German hospital.  Eur J Clin Pharmacol. 2004;  59 815-817
  • 2 Taxis K, Barber N. An ethnographic study of incidence and severity of intravenous drug errors.  Brit Med J. 2003;  326 684-687

Hardy-Thorsten Panknin

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