intensiv 2006; 14(5): 211
DOI: 10.1055/s-2006-927104
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
06 October 2006 (online)

es sind wahrlich keine ruhigen Zeiten für die Beschäftigten und das Management in deutschen Kliniken. Auch nach den für die Öffentlichkeit nicht immer ganz transparenten Streiks des ärztlichen und nichtäztlichen Personals kehrt keine Ruhe ein. Die Ergebnisse der Diskussionen um die Gesundheitsreform 2006 und den Gesundheitsfond werden sehr wohl Auswirkungen auf die Krankenhausfinanzierung und die Klinikbudgets [1] haben.

Auch die Tarifabschlüsse 2006 werden unterschiedlich bewertet. Bemerkenswert ist dabei, dass für die Beschäftigten in den Krankenhäusern ab nun durch den separaten Abschluss der Ärzte zwei unterschiedliche Tarife gelten werden. Der Marburger Bund feiert den Abschluss als wichtigen Sieg. Die Arbeitgeberseite ist über die Höhe des Abschlusses und die damit verbundenen Mehrausgaben besorgt und denkt laut über Stellenabbau nach.

Folgt man noch einmal den Argumenten der Ärztevertretung, ging es neben einer höheren Bezahlung auch um verbesserte Arbeitsbedingungen. In den Medien wurde letzteres Anliegen oft einseitig mit kürzeren Dienstzeiten übersetzt. Diese Sichtweise greift allerdings zu kurz. Die aktuelle Forderung der Ärzte nach Entlastung von so genannten arztfremden Aufgaben weist deutlich über die ja nun abgeschlossenen Tarifverhandlungen hinaus und stellt die derzeitige Arbeitsteilung in Krankenhäusern infrage. Gerade für die Arbeitsgebiete wie die Intensivpflege und Anästhesie, in denen einen enge Kooperation zwischen Pflegenden und Ärzten gegeben ist, muss nach den Auswirkungen und Konsequenzen gefragt werden.

Sicherlich, aus Sicht der Patienten steht erst einmal die qualitativ hochwertige Ausführung einer Maßnahme im Mittelpunkt. Für das Krankenhausmanagement kommen Fragen der Wirtschaftlichkeit hinzu. So scheint die Anfrage an die Pflegenden, vermehrt ärztliche Tätigkeiten zu übernehmen und die Ärzte damit zu entlasten, auf den ersten Blick legitim. Auf den zweiten Blick erweist sich allerdings, dass die Frage falsch gestellt ist und das Ergebnis keineswegs so eindeutig ist, wie ursprünglich erwartet.

Verfolgt man die Anzahl der Beschäftigten nach Berufsgruppen in Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen, ist festzustellen, dass die Zahl der Pflegenden seit 1995 bis 2004 um ca. 13 000 auf 96 161 gefallen ist. Dagegen stieg die Zahl der beschäftigten Ärzte im gleichen Zeitraum um 2900 auf 30 901 [2]. Darüber hinaus weist die legitime Frage, ob Ärzte alle ärztlichen Tätigkeiten ausführen müssen, auf ein strukturelles Problem des Arztberufs im Krankenhaus hin, deren dauerhafte Lösungen keineswegs in den alten Strukturen zu finden sein werden.

So ist der reflexhafte Blick auf die Pflege, auch wenn er vom Pflegemanagement derzeit nicht ungern gesehen wird, nicht als einzige und beste Lösung zur Entlastung der Ärzte und zum Wohl der Patienten zu bevorzugen. Vielmehr müsste der ärztliche Dienst in den Kliniken seine Struktur überprüfen und die Frage nach, vielleicht auch neuen ärztlichen Hilfsberufen beantworten. Im Rahmen des Bologna-Prozesses sind die Fragen nach einem medizinischen Bachelor-Abschluss und seinem möglichen Tätigkeitsfeld bereits gestellt, aber bis heute nicht beantwortet. Unter anderen Vorzeichen wird diese Diskussion zurzeit unter dem Stichwort Medical Assistance geführt. An dieser Stelle gibt es noch einiges zu tun.

Die Pflegeberufe wären dagegen gut beraten, in erster Linie für eine hochwertige pflegerische Versorgung der Patienten zu sorgen und damit ihrem primären Auftrag nachzukommen. Auf diesem Weg können sie ein verlässlicher und kompetenter Partner für die Kooperation mit allen anderen Berufen im Krankenhaus sein. Dabei gilt es die alten Abgrenzungen („das ist doch keine pflegerische Aufgabe”) zu vermeiden. Den Ausschlag sollte die Beantwortung der Frage geben, was für die Patienten das Beste ist und was die Patienten wünschen. Hochwertige pflegerische Angebote sollten nicht leichtfertig geopfert werden, denn nach wie vor gilt, dass man Arbeitszeit nur einmal nutzen kann.

Die Herausgeber

Literatur

  • 1 Deutsche Krankenhausgesellschaft .Bundesweite Kampagne der Krankenhäuser zur Gesundheitsreform. Online im Internet: http://www.dkgev.de/dkgev.php/cat/35/aid/1983/title/Bundesweite+Kampagne+der+Krankenh%E4user+zur+Gesundheitsreform (Stand 18.8.2006). 2006
  • 2 Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen .Krankenhäuser und Betten in Deutschland 2004 nach Trägern. Online im Internet: http://www.kgnw.de/h150/internet/syncmskgnw.nsf/frame/fsstart2?OpenDocument (Stand: 4.8.2006). 2004
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