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DOI: 10.1055/s-2006-931549
Leitlinien der Geburtshilfe und Neonatologie
Guidelines for Obstetrics and NeonatologyPublication History
Publication Date:
27 March 2006 (online)

Lieber Leser,
Leitlinien der Geburtshilfe und Neonatologie, die ein hohes Evidenzniveau aufweisen, können hilfreich sein, um bei der großen Anzahl medizinischer Publikationen eine umfassende Übersicht für spezielle Fragestellungen zu erhalten. Die hierfür verwendeten Begriffe „Empfehlungen, Leitlinien, Standards, Richtlinien“ sind in ihrer Begrifflichkeit vieldeutig und für den Leser bezüglich der dahinter stehenden Konsequenzen häufig schwer zu interpretieren. Eine praxisnahe Hilfestellung hierfür gibt Selbmann:
Empfehlungen (z.B. zur Leitung einer Beckenendlagenentbindung) kann man befolgen.
Von Leitlinien und Standards in Diagnostik und Therapie sollte man sich leiten lassen.
Nach Richtlinien (z.B. Mutterschaftsrichtlinien) muss man sich richten. Das Unterlassen einer solchen Richtlinie wie z.B. die Bestimmung des Rötelntiters in der Schwangerschaft kann im Falle einer späteren Schädigung strafrechtliche Konsequenzen haben, die Nichtbeachtung von politisch oder ökonomisch definierten Versorgungsstandards kann dagegen z.B. zu kassenärztlichen Regressforderungen führen.
In den vergangenen Jahren wurden Leitlinien/Standards nicht immer nach systematischen Vorgaben und auch nicht immer mit dem Auftrag von wissenschaftlichen Fachgesellschaften erstellt. Um dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten, hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eine Leitlinienkommission ins Leben gerufen, bei der Anträge auf Leitlinien, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften beauftragt wurden, angemeldet werden können. Von dort erfolgt die Weitermeldung an die wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft (AWMF). Für die drei Teilbereiche der Gynäkologie, Endokrinologie/Onkologie sowie der Geburtsmedizin gibt es Säulenvertreter, die für die Abstimmung der Inhalte der Leitlinien innerhalb des einzelnen Fachbereiches sorgen.
Nach Definition der AWMF sind Leitlinienempfehlungen für ärztliches Handeln in charakteristischen Situationen auf der Basis ärztlicher wissenschaftlicher Aspekte ohne direkte juristische Verbindlichkeit. Ähnlich sehen es auch ergangene Gerichtsurteile, die in den Empfehlungen und Leitlinien lediglich einen Behandlungskorridor sehen, von dem im Einzelfall mit entsprechender Begründung abgewichen werden kann. Im angelsächsischen Bereich wird zwischen Leitlinien und Standards durch den Begriff „Guidelines“ nicht mehr unterschieden. Je nach Evidenzlevel wird mittlerweile zwischen S 1, S 2 und S 3 Leitlinien (höchste Anforderungen an wissenschaftliche Evidenz unter Einbeziehung anderer Fachgesellschaften) unterschieden. Man kann dabei medizinische Leitlinien, Strukturleitlinien, Versorgungsleitlinien und Leitlinien der Ergebnisqualität definieren.
Für den Patienten sichern Leitlinien und Standards den Anspruch auf die Anwendung methodisch gesicherter Behandlungsverfahren. Für den Arzt ermöglichen Leitlinien auf unnötige Überwachungs- und Therapiemaßnahmen zu verzichten, entsprechend effiziente Verfahren einzusetzen und eine Richtschnur für das eigene Handeln zu haben ohne im Bedarfsfall auf ein individualisiertes begründetes Abweichen zu verzichten.
Da die Leitlinien zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Geburtshilfe und Neonatologie geworden sind, möchten wir in der Zukunft alle relevanten neuen Leitlinien aus unseren Themenbereichen dem Leser nahe bringen. Die Besonderheit der Darstellung innerhalb unserer Zeitschrift sollte darin bestehen, dass die Leitlinien zusätzlich vom Erstherausgeber kommentiert werden (ggf. auch von den Herausgebern der ZGN). Hierdurch können einerseits wichtige Interpretationshilfen gegeben werden, andererseits besteht auch die Möglichkeit auf Probleme und Schwachstellen von Leitlinien, die grundsätzlich ohnehin einer update Pflicht unterliegen, hinzuweisen.
Wir hoffen sehr, dass dieser neue Service bei den Lesern, die damit eine eigene Leitliniensammlung aufbauen können, gut angenommen wird.
Prof. Dr. K. T. M. Schneider
Prof. Dr. K. T. M. Schneider
Frauenklinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar
Universität
Ismaninger Str. 22
81675 München
Email: Schneider@frz.tu-muenchen.de