Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(12): 622
DOI: 10.1055/s-2006-933710
Pro & Contra
Pneumologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Lysetherapie bei hämodynamisch stabilen Patienten mit submassiver Lungenembolie - Pro

Thrombolysis in hemodynamically stable patients with submassive pulmonary embolism - proH. Wilkens1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik, Innere Medizin V - Pneumologie, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg, Saar
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eingereicht: 6.2.2006

akzeptiert: 9.2.2006

Publication Date:
17 March 2006 (online)

Bei hämodynamisch stabilen Patienten mit normalem Blutdruck, die nach einer Lungenembolie (LE) eine rechtsventrikuläre (RV-) Dysfunktion aufweisen, ist das Nutzen/Risikoverhältnis einer Lysetherapie nicht sofort ersichtlich. Das erhöhte Blutungsrisiko muss gegenüber dem weiteren Verlauf der Erkrankung ohne Lyse abgewogen werden. Etwa die Hälfte aller Patienten mit einer LE haben eine leicht oder mittelgradig eingeschränkte Funktion des rechten Herzens und sind nicht wirklich hämodynamisch stabil. Eine rechtsventrikuläre Dilatation und Hypokinesie kann sich entweder zurückbilden oder sie führt zu einer Dekompensation mit Bedarf an Katecholaminen, Beatmung oder kardiopulmonaler Reanimation, und dies ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität verbunden. In einer Studie [2] bei 162 normotensiven Patienten hatten 65 (31 %) eine RV-Dysfunktion, bei 6 von ihnen (10 %) entwickelte sich ein LE-bedingten Schock, an dem drei Patienten (5 %) starben; drei wurden erfolgreich lysiert. Dagegen kam es bei keinem Patienten ohne echokardiografische Zeichen einer RV-Dysfunktion zur Dekompensation. Eine weitere Studie mit 126 Patienten ergab bei 56 % eine rechtsventrikuläre Dysfunktion; alle 10 im Krankenhaus aufgetretenen Todesfälle betrafen Patienten mit RV-Dysfunktion (Letalität 14 % vs. 0 %). Auch in der bisher größten prospektiven Untersuchung akuter Lungenembolien, der ICOPER-Studie [1] hatten die Patienten, die einen normalen Blutdruck, aber eine RV-Hypokinesie in der Echokardiographie zeigten, eine deutlich erhöhte 30-Tage-Letalität.

Zur Thrombolyse bei kreislaufstabilen Patienten gibt es bisher nur wenige Studien. 1993 zeigten Goldhaber et al. [1] bei 101 Patienten, dass sich die rechtsventrikulären Dysfunktion nach Lyse mit rekombinantem Gewebe-Plasminogenaktivator (rt-PA) schneller zurückbildete als unter Heparin und keine LE-Rezidive auftraten. In der MAPPET-3-Studie [3] bei 256 Patienten mit initial normalem Blutdruck und RV-Dysfunktion war die Antikoagulation mit Heparin plus Plazebo mit einem fast dreifach höheren Risiko für Therapieeskalation oder Tod verbunden als die Thrombolysetherapie mit rt-PA. Blutungskomplikationen traten nicht auf.

Dennoch muss das vorhandene Risiko einer signifikanten Blutung immer gegen den Nutzen der Lysetherapie aufgerechnet werden. Die Therapie muss unter strenger Berücksichtigung von Kontraindikationen erfolgen und darf erst nach einer detaillierten Analyse der klinischen Situation eingeleitet werden. Neben dem klinischen Gesamteindruck des Patienten gilt die Echokardiographie gegenwärtig als Hauptwerkzeug zur Risikostratifizierung. Untersuchungsbefund, EKG-Veränderungen, Röntgenbild des Thorax und die rechtsventrikuläre Größe im Computertomogramm ergeben weitere Hinweise auf eine rechtsventrikuläre Dysfunktion als Schlüsselparameter zur Prognoseeinschätzung. Vielversprechend zur präziseren Abschätzung der Prognose sind Troponine und natriuretische Peptide als laborchemische Hinweise auf eine Rechtsherzbelastung. Die Kombination aus erhöhten BNP- und Troponin-T-Werten erlaubte in einer posthoc-Analyse eine gute Vorhersage einer erheblich gesteigerten Mortalität bei 100 normotensiven Patienten mit LE [4] und könnte damit eine Entscheidungshilfe zur Einleitung einer Lysetherapie sein.

Durch weitere systematische Aufarbeitung der bisher vorhandenen Parameter wird es gelingen, scheinbar stabile Patienten mit LE zu identifizieren, die von von einer Lysetherapie profitieren, um die noch immer unbefriedigende Prognose zu verbessern. Vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit guter Parameter zur Erfassung der rechtsventrikulären Belastung ist es Zeit, durch eine gut geplante multizentrische Studie den Nutzen einer Lysetherapie zu dokumentieren.

Fazit: Innerhalb der Gruppe von Patienten mit submassiver LE gibt es Patienten mit deutlich erhöhtem Mortalitätsrisiko bei vermehrter rechtsventrikulärer Belastung. Durch Identifizierung dieser Risikopatienten und Therapie mittels Thrombolyse wird sich die Prognose auch bei kreislaufstabilen Patienten deutlich verbessern lassen.

Literatur

  • 1 Goldhaber S Z, Visani L, De Rosa M. Acute pulmonary embolism: clinical outcomes in the International Cooperative Pulmonary Embolism Registry (ICOPER).  Lancet. 1999;  353 1386-1389
  • 2 Grifoni S, Olivotto I, Cecchini P. et al . Short-term clinical outcome of patients with acute pulmonary embolism, normal blood pressure, and echocardiographic right ventricular dysfunction.  Circulation. 2000;  101 2817-2822
  • 3 Konstantinides S. et al . Heparin plus alteplase compared with heparin alone in patients with submassive pulmonary embolism.  N Engl J Med. 2002;  347 1143-1150
  • 4 Kostrubiec M, Pruszczyk P, Bochowicz A. et al . Biomarker-based risk assessment model in acute pulmonary embolism.  Eur Heart J. 2005;  26 2166-2172

Priv.-Doz. Dr. med. Heinrike Wilkens

Medizinische Klinik und Poliklinik, Innere Medizin V - Pneumologie, Universitätskliniken des Saarlandes

Kirrbergerstraße

66421 Homburg/Saar

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