Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A29
DOI: 10.1055/s-2006-934249

Die psychosoziale Belastung alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder – Ausprägung und Determinanten

M Franz 1, R Schäfer 1, T Gertheinrichs 1, R Thees 1
  • 1Abteilung für Psychosomatik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Der Anteil der Alleinerziehenden an Familien mit Kindern steigt und beträgt in Deutschland derzeit 26%. Die mittlere psychosoziale Belastung–insbesondere gesundheitliche Risiken und Depressivität–ist in dieser Bevölkerungsgruppe überdurchschnittlich ausgeprägt. Epidemiologische Befunde hierzu stammen jedoch zumeist aus angelsächsischen und skandinavischen Untersuchungen. Von daher sind Befunde aus deutschen Stichproben von Interesse für die Risikoabschätzung und die Planung psychosozialer Versorgungsangebote für diese Bevölkerungsgruppe.

Aus einer epidemiologischen Stichprobe von ca. 5000 Müttern nahmen im Anschluss an die Schuleignungsuntersuchung ihrer Kinder 581 alleinerziehende Mütter (AE) und 543 verheiratete Mütter (Kontrollgruppe) an einer Befragung teil. Die Mütter und ihre Kinder wurden zu zwei Zeitpunkten hinsichtlich sozialer (Sozialfragebogen, F-SOZU) und klinisch-psychometrischer (SCL–90 R, SDQ) sowie erstmals auch interaktionsrelevanter Persönlichkeitsfaktoren (MMPI, IPC) untersucht und verglichen.

Es zeigte sich in der Gruppe AE ein deutlich niedrigerer Sozialstatus bzw. Lebensstandard sowie eine geringere soziale Unterstützung. Klinisch-psychometrisch waren die Mütter in AE signifikant stärker durch psychische/psychosomatische Beschwerden (insbesondere Depressivität) beeinträchtigt. Die untersuchten Persönlichkeitsskalen in dieser Gruppe wiesen auf eine signifikant stärker ausgeprägte dysfunktionale Disposition in interaktionsrelevanten Merkmalen und Kontrollüberzeugungen hin. Die Kinder aus der Gruppe AE zeigten im Urteil ihrer Mütter stärker ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten. Diese und die psychischen Beschwerden der Mütter waren auch im Verlauf mit Persönlichkeitsmerkmalen der Mütter assoziiert.

Die vorliegenden Befunde erlauben die gezielte Konzeption und Realisierung eines bindungsorientierten Interventionsprogrammes i. S. eines präventiven Elterntrainings im Kindertagesstättenbereich (PALME).