Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A42
DOI: 10.1055/s-2006-934262

Zur Verarbeitung traumatischer Verluste–Ergebnisse einer prospektiven Longitudinalstudie

A Kersting 1, K Kroker 1, U Wesselmann 1, J Steinhard 2, V Arolt 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Münster, Münster
  • 2Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Universitätsklinikum Münster, Münster

Fragestellung: Trauerverläufe sind individuelle facettenreiche Prozesse, die durch die Todesumstände, intrapsychische, interpersonale, soziale und kulturelle Faktoren beeinflusst werden. Dabei können insbesondere traumatische Todesumstände die Verarbeitung des Verlusts erschweren. Nach einer Einführung in die aktuellen empirisch fundierten Konzepte normaler und pathologischer Trauer sollen die Ergebnisse einer prospektiven Longitudinalstudie zur Verarbeitung traumatischer Verluste dargestellt werden.

Methodik: 62 Frauen, die sich nach der Diagnose einer schweren fetalen Fehlbildung im 2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft zu einem Abbruch der Schwangerschaft mit einer Einleitung der Geburt entschieden, wurden mit Hilfe von Selbst- und Fremdeinschätzungsinstrumenten hinsichtlich des traumatischen Erlebens, des Ausmaßes an Trauer, Depression und Angst sowie dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung (SKID-Interview) untersucht. Eine Kontrollgruppe bestand aus 65 Frauen nach der Spontangeburt eines gesunden Kindes. Messzeitpunkte betreffen 14 Tage nach der Geburt, 6 und 14 Monate nach der Geburt.

Ergebnisse: Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Frauen nach dem traumatischen Verlust ihres Kindes zu allen Messzeitpunkten signifikant höhere Werte traumatischen Erlebens, Angst und Depression zeigen. Auch 14 Monate nach dem Verlust leiden 17% der Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch an einer psychischen Erkrankung, während bei den Frauen nach der Geburt eines gesunden Kindes keine psychische Diagnose gestellt wurde.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sich bei einem Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation um ein traumatisches Lebensereignis handelt, das mit einem hohen Risiko für eine psychische Erkrankung verbunden ist.