Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A47
DOI: 10.1055/s-2006-934267

Placebo-Effekte bei funktionellen Magen-Darm-Störungen

S Klosterhalfen 1, P Enck 2
  • 1Institut für Medizinische Psychologie, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • 2Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik VI, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen

Generell werden die Placebo-Effekte in klinischen Studien bei funktionellen Magen-Darm-Störungen (Reizdarmsyndrom, funktionelle Dyspepsie) als besonders hoch erachtet, und ihr Wirkmechanismus sei nach wie vor ungeklärt. Neuere sowohl klinische wie experimentelle Befunde verweisen jedoch auf andere Momente: 1) Eine Metaanalyse von mehr als 80 randomisierten, placebokontrollierten Studien (RPCS) zeigt, dass die Placeboresponserate insgesamt bei ca. 40% liegt und somit nicht höher als bei anderen, funktionellen wie organischen Erkankungen des Magen-Darm-Traktes oder anderer Systeme. 2) Re-analysen der individuellen Daten einzelner Studien zeigen eine Bereitsschaft von Patienten, in RPCS auf Placebogabe zu reagieren, die in Abhängigkeit sowohl von individuellen Merkmalen der Patienten (Alter, Geschlecht, Copingstrategie) (1) oder der Studienleiter (Geschlecht, Erfahrung) (2) als auch von strukturelle Merkmale der Studien selbst (Anzahl, Dauer der Kontakte zwischen Patient und Studienleiter etc.) (3) variiert und die Plazeboantwort vorhersagt. 3) Systematisch lassen sich Placeboantworten nach drei zugrundeliegenden Mechanismen unterscheiden (Pavlovsche Konditionierung, Signalentdeckung, Regression zum Mittelwert), die einzeln oder in Kombination wirksam sein können; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Mechanismen existieren. 4) Insbesondere Brain-Imaging-Studien haben es im vergangenen Jahrzehnt erlaubt, die neurobiologischen Grundlagen der Placeboantwort besser zu verstehen. 5) In den nächsten Jahren werden vor allem experimentelle Studien im Vordergrund stehen, bei denen einzelne der wirksamen Faktoren systematisch variiert werden sollen, um das bestehende Konzept weiter zu verfeinern. (Unterstützt mit Mitteln der DFG, En 50/24–1).