Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A51
DOI: 10.1055/s-2006-934271

Anpassungsstörung oder Posttraumatische Belastungsstörung (PTB)–wie lassen sich psychische Folgen körperlicher Erkrankungen diagnostisch fassen?

V Köllner 1, F Einsle 2, A Maercker 3
  • 1Fachklinik für Psychotherapeutische Medizin in den Bliestal Kliniken, Blieskastel
  • 2Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • 3Psychopathologie und klinische Intervention, Universität Zürich, Zürich, Schweiz

Eigene Studien und Publikationen anderer Arbeitsgruppen fanden bei Patienten nach lebensbedrohlichen Erkrankungen oder belastenden medizinischen Behandlungsmaßnahmen in Fragebögen (v. a. Impact of Event-Scale IES-R und PTSS–10) gegenüber Normstichproben erhöhte Werte für Symptome einer PTB. Zwischen 10% bis über 30% der Patienten lagen über den für die Instrumente angegebenen Cutoffs, die eine PTB-Diagnose wahrscheinlich machen. In parallel durchgeführten strukturierten Interviews (SKID) fanden sich jedoch deutlich geringe PTB-Prävalenzen von teilweise unter 3%. Die erhöhten Werte in den Fragebögen erwiesen sich jedoch meist als unabhängige Prädiktoren der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Dies spricht dagegen, sie lediglich als Artefakt zu betrachten. Die bisherigen Kriterien für PTB und Anpassungsstörungen oder andere psychische Syndrome sind bisher aber ungeeignet, die Beschwerden der betroffenen Patientengruppe zu spezifizieren.

Die Autoren stellen deshalb eine neue Definition der Anpassungsstörung zur Diskussion, die im Gegensatz zur PTB eine erweiterte Begriffsbildung für auslösende, belastende Ereignisse beinhaltet und die Symptom-Cluster Intrusion, Vermeidung und Fehlanpassung umfasst. Mit diesem Konzept ist es in Vorstudien gelungen, eine Patientengruppe mit erhöhten PTB-Scores und reduzierter Lebensqualität, die nicht die diagnostischen Kriterien einer PTB erfüllen, abzugrenzen. Dies spricht dafür, dass intrusives Wiedererleben auch bei belastenden Situationen unabhängig von einer PTB ein Risikofaktor für eine Fehlanpassung ist. Dieses neue, theoriegeleitete Konzept der Anpassungsstörung ist möglicherweise besser geeignet, Fehlanpassungen bei körperlichen Erkrankungen zu beschreiben und Risikopatienten zu identifizieren als die bisherige Definition der Anpassungsstörung, die überwiegend als Restkategorie gefasst war.