Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A69
DOI: 10.1055/s-2006-934289

Laientheorien Gesunder zum Herzinfarkt im interkulturellen europäischen Vergleich

FA Muthny 1
  • 1Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Münster (UKM), Münster

Herzerkrankungen sind Haupttodesursache in den industrialisierten Ländern. Dabei haben Laientheorien der Patienten wesentlichen Einfluss auf Krankheitsverarbeitung, Compliance und Behandlungserfolg. Da Laientheorien bereits vor dem Ausbruch einer Erkrankung bestehen und beträchtliche Unterschiede im interkulturellen Vergleich vermutet werden können, erschien es sinnvoll, gesunde Personen in verschiedenen europäischen Ländern zu ihren subjektiven Theorien zu befragen. Über 500 gesunde Personen aus 4 europäischen Ländern berichteten ihre Laientheorien zum Herzinfarkt in einer anonymen Fragebogen-Untersuchung (Inhalt: Kausalattributionen, Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeit). Die Nationalitätengruppen unterscheiden sich nicht bezüglich des Geschlechterverhältnisses und der Bildung und nur gering bezüglich des Alters. Große Differenzen zeigen sich im Hinblick auf die generellen Kausalattributionen bezüglich Herzinfarkt, wobei die griechische und die norwegische Gruppe mit ca. 20% am stärksten psychoätiologische Faktoren attribuieren, während die spanische Gruppe zu fast 40% primär somatische Faktoren verantwortlich macht. In den erkrankungsbezogenen Kontrollüberzeugungen zeigt die deutsche Gruppe die höchste Ausprägung für den Einfluss eigener Einstellungen, während die griechische Gruppe vor allem die Rolle von Vererbung und irrationalen Beliefsystemen hervorhebt, sowie (zusammen mit der deutschen) die Bedeutung beruflicher und familiärer Faktoren, von Verlusterlebnissen, aber auch der Umweltverschmutzung betont. Die ausgeprägtesten Kontrollüberzeugungen zeigt die deutsche Gruppe im Hinblick auf Schicksal, eigene seelische Probleme und Verarbeitungsdefizite. Das persönliche Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, wird europaweit von über 80% als hoch eingeschätzt, lediglich von den Norwegern signifikant niedriger. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung dieser subjektiven Theorien und ihrer Kommunikation in der Arzt-Patienten-Beziehung.