Kindheitstraumatisierungen und komplexe posttraumatische Belastungsstörungen bei forensischen Patienten

Einleitung: Übereinstimmend haben verschiedene Untersuchungen zeigen können, dass psychisch kranke Straftäter eine massiv traumatisierte Gruppe darstellen, insbesondere hinsichtlich biographisch früher emotionaler und körperlicher Mangelerfahrungen sowie aller Formen des Missbrauchs. Eine der psychopathologisch und persönlichkeitsstrukturellen Folgen lässt sich mit dem Syndrom der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (cPTSD) beschreiben, dessen Prävalenz wir erfassten. Methodik: 32 stationäre forensische Patienten (28 Männer; 4 Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 36,9±11,8 Jahren wurden mit dem strukturierten Interview zur komplexen posttraumatischen Belastungsstörung untersucht; Kindheitstraumatisierungen wurden mittels Selbst- und Fremdbeurteilung abgebildet. Ergebnisse: Die Mehrheit der Stichprobe hatte in der Kindheit emotionalen Missbrauch und Vernachlässigung (75% und 59%) sowie körperlichen Missbrauch (52%) erfahren. Die 3-Monats-Prävalenz der cPTSD lag bei 28% und die Lebenszeitprävalenz bei 44%. Patienten mit einer cPTSD waren signifikant häufiger körperlichem Missbrauch ausgesetzt gewesen als solche ohne cPTSD; hinsichtlich anderer Formen der Misshandlungen ergaben sich keine Unterschiede. Diskussion: Unsere Befunde bestätigen, dass Kindheitstraumatisierungen eine große Bedeutung bei psychisch kranken Straftätern zukommt und dass sich bei fast der Hälfte dieser Population eine cPTSD diagnostizieren lässt. Neben den alltags-, therapie- und prognose-relevanten Aspekten dieser Ergebnisse ermöglicht ein psychotraumatologischer Ansatz ein besseres Verständnis des „Zirkels der Gewalt“, der als Modell nicht nur in der Forensik, sondern auch in vielen anderen Bereichen von hoher Relevanz ist.

Key words

Kindheitstrauma - Zirkel der Gewalt - forensisches Setting - komplexe posttraumatische Belastungsstörung