Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A97
DOI: 10.1055/s-2006-934317

Prävalenz traumatischer Ereignisse und posttraumatischer Störungen bei türkischen Migranten in der Primärversorgung

S Tagay 1, Y Erim 1, R Zarasiz 1, W Senf 2
  • 1Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Essen, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • 2Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Essen, Essen

Fragestellung:

In der BRD leben fast zwei Millionen Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit. Untersuchungen zu einer adäquaten Versorgung von Migranten sind selten. In der vorliegenden Studie untersuchten wir die Prävalenz traumatischer Ereignisse und posttraumatische Störungen bei türkischen Migranten in der Primärversorgung.

Methode:

195 türkische Migranten (Alter 40,4 Jahre, range: 18–80 Jahre, 63,6% weiblich) wurden mit dem Essener Trauma-Inventar (ETI) in 7 Hausarztpraxen untersucht. Ferner wurden Angaben zu Migration und Akkulturation, Gesundheitswissen und –verhalten und Religiosität erfasst.

Ergebnisse:

Im Durchschnitt lebten die Migranten seit 25,2 Jahren in der BRD, 46,4% fühlten sich sowohl der Türkei als auch der BRD verbunden und für 58,6% war es „wichtig“ bis „sehr wichtig“, von einem türkischen Arzt behandelt zu werden. Ferner bezeichneten sich 42,0% als „ziemlich religiös“ und weitere 22,8% als „eher sehr religiös“.

Rund 53% gaben an, mindestens ein Trauma in ihrem bisherigen Leben erlebt zu haben, aber 36,7% erfüllten das Eingangstraumakriterium nach DMS-IV. Als häufigstes schlimmstes Trauma mit 45,8% wurde der „Tod einer wichtigen Bezugsperson“ genannt, gefolgt von den Traumata „schwerer Unfall“ (16,7%) und „schwere Krankheit“ (12,5%). 17,7% hatten nach ETI klinisch auffällige Cut-Off-Werte für eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD). Bezüglich der Traumaprävalenz und der posttraumatischen Symptomatik fanden wir keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen.

Diskussion:

Bei rund 18% der Patienten wurde testpsychometrisch eine PTSD festgestellt. Unsere Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei türkischen Migranten zu Fragen der Traumatisierung.