Allgemeine Homöopathische Zeitung 1962; 207(4): 193-211
DOI: 10.1055/s-2006-935101
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG, Stuttgart

Zu den Fortschritten der Medizin in besonderer Sicht auf die Lage der Homöopathie heute

R. Pleuger
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Publication Date:
13 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Wiederauflebende Angriffe auf die Homöopathie sind wesensmäßig zu verstehen nach der von Leon Vannier gegebenen Aussage: "Die homöopathische Medizin bleibt seit Jahrhunderten unverändert in der Lehre; ihre technischen, klinischen und therapeutischen Verfahren ändern sich nur allmählich zugunsten der modernen Entdeckungen." Wir homöopathischen Ärzte anerkennen die medizinischen therapeutischen Fortschritte neidlos. Aber wir verschließen uns nicht der Kritik angesichts der auch von anderen erkannten Gefahren, die jeder Fortschritt, wo immer er statthat, mit sich bringt. Auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Arzneimittelprüfungen am sogenannten Gesunden ist nicht einfach mittels zwei- oder dreifacher Blind- und Testversuche zu klären. Wir übersehen zu leicht die genotypische Reihe, die sich hinter dem Phänotypus verbirgt. Ungers Vorschlag einer "funktionellen Pharmakologie" und Schwarzhaupts Forderung nach einer guten klinischen, jeder Kritik standhaltenden Diagnostik in Verbindung mit einer umfassenden Kenntnis des homöopathischen Arzneimittelschatzes und -wirkungsbildes könnten in ihrer praktischen Auswirkung Brücken zwischen den sich gegenüberstehenden Lagern bilden. Womit wir uns immer wieder auseinandersetzen müssen, ist die Tatsache des Versagens eines gut gewählten Similearzneimittels. Die moderne Wissenschaft könnte uns Wege weisen, aber sie enthebt uns nicht der Verantwortung, sich wirklich ausreichend in den Einzelfall zu versenken. Hier taucht die Frage der Zeitnot auf, unter der wir Ärzte wie alle Menschen heute leiden. Die Dosierungsfrage spielt für uns eine untergeordnete Rolle, wenn sie Gegenstand fragwürdiger Vorwürfe ist. Homöopathie ist nicht wesensmäßig in der Dosierung verankert. Die moderne Physik lehrt uns aber auch hier, daß man sich hüten sollte, voreilige Schlüsse über Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten im Bereich des fast Unwägbaren zu ziehen.

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