Rofo 2006; 178 - RK_210_1
DOI: 10.1055/s-2006-940396

Zeitbomben! Wie gefährlich sind intrakranielle AVM und Aneurysmen?

J Berkefeld 1
  • 1Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Neurologie, Frankfurt/Main

Zielsetzung des Kurses ist die Vermittlung von Daten und Expertenmeinungen zum Spontanverlauf von intrakraniellen arterio-venösen Malformationen (AVM) und Aneurysmen als Grundlage für eine Risiko-Nutzen Abwägung bei der Indikationsstellung zur prophylaktischen Therapie.

In der Vergangenheit wurden intrakranielle AVM und Aneurysmen überwiegend dann diagnostiziert, wenn sie durch eine Blutung oder andere neurologische Störungen symptomatisch waren. Aufgrund des hohen Rezidivblutungsrisikos besteht in diesen Fällen eine relativ klare Indikation zur Therapie im Sinne einer Sekundärprophylaxe. Heute werden wir zunehmend mit Zufallsbefunden konfrontiert, wenn derartige Gefäßerkrankungen bei mit anderen Indikationen erfolgter bildgebender Diagnostik entdeckt werden.

Bezüglich des Spontanverlaufs gibt es für AVM und Aneurysmen in Deutschland keine Daten, die wirklich repräsentative Bevölkerungsquerschnitte abbilden. Für AVM wurden bislang relativ hohe Blutungsrisiken um 3% pro Jahr angenommen. Neuerdings werden diese Daten jedoch bestritten, da in den zugrunde liegenden Fallserien möglicherweise neurologisch symptomatische Hochrisikopatienten überrepräsentiert sind. Für nicht-rupturierte Aneurysmen gibt es prospektive Daten aus der ISUIA-Studie, nach denen das Blutungsrisiko bei kleinen Aneurysmen im vorderen Hirnkreislauf so gering ist, dass es kaum eine prophylaktische Therapie rechtfertigt. Dem widerspricht jedoch die klinische Beobachtung, dass Subarachnoidalblutungen aus kleinen Aneurysmen in dieser Region häufig vorkommen. Neuere Forschungsansätze versuchen, für beide Erkrankungsgruppen Faktoren zu definieren, die eine Vulnerabilität und damit eine erhöhte Blutungsneigung anzeigen.

Schlussfolgerung: Die Betrachtung von AVM und Aneurysmen als Zeitbomben suggeriert eine dringliche Behandlungsindikation, die nach den Daten zum Spontanverlauf jedoch nicht in allen Fällen gerechtfertigt ist und eine individuelle Risiko-Nutzen-Analyse erfordert.

Lernziele:

Vermittlung von Daten aus etablierten Studien und neueren Forschungsansätzen zur Abschätzung des Blutungsrisikos im Spontanverlauf von intrakraniellen AVM und Aneurysmen.

Anleitung zu einer differenzierten Beratung von Trägern

dieser Gefäßerkrankung bezüglich des Nutzens und der Risiken

einer prophylaktischen Behandlung.

Korrespondierender Autor: Berkefeld J

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Neurologie, Schleusenweg 2–16, 60528 Frankfurt/Main

E-Mail: berkefeld@em.uni-frankfurt.de