Psychiatr Prax 2006; 33(4): 196-201
DOI: 10.1055/s-2006-941626
Fortbildung und Diskussion
Rechtsprechung
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Zwangsbehandlung von psychisch kranken Menschen nach dem Betreuungsrecht

Andreas Thiel1 , Hanns Rüdiger Röttgers2
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Diakoniekrankenhaus Rotenburg
  • 2Sozialpsychiatrischer Dienst, Gesundheitsamt Vechta
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Publication Date:
08 May 2006 (online)

 

Einleitung

Die Psychiatrie in Deutschland bewegt sich in die Gesellschaft. Ein äußeres Anzeichen dafür ist die seit der Psychiatrieenquete zunehmende Gemeindenähe der Psychiatrie. Weniger Kilometer Distanz zwischen der psychiatrischen Klinik und dem Marktplatz sind ein notwendiger, allerdings kein hinreichender Schritt für die Fortentwicklung der Psychiatrie in die Mitte der Gesellschaft. Wichtiger noch als solche Äußerlichkeiten sind inhaltliche Schritte. Zu den wichtigen inhaltlichen Kriterien für die Ankunft der Psychiatrie in der Gesellschaft zählt der Abbau rechtsfreier Räume in der Psychiatrie. Unbestritten haben psychisch Kranke die gleichen Rechte wie andere Menschen auch. Im Rahmen einer Behandlung gegen den Willen eines Patienten nach den Unterbringungsgesetzen der Bundesländer oder nach dem Betreuungsrecht können die Rechte des Betroffenen jedoch unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden. In einer demokratischen Gesellschaft darf die Einschränkung von Rechten untergebrachter Patienten aber unter keinen Umständen willkürlich sein, denn dies würde rechtsfreie Räume in der Psychiatrie begünstigen. Deshalb sind alle Beteiligten verpflichtet, Ärzte ebenso wie Richter, juristische Betreuer, Anwälte und Verfahrenspfleger, sorgfältig und gründlich auf die Rechtmäßigkeit des Vorgehens zu achten. Diese Forderung zielt in besonderer Weise auf Zwangsbehandlungen von psychisch kranken Menschen nach dem Betreuungsrecht. Nachfragen in verschiedenen psychiatrischen Kliniken deuten auf große Unterschiede im praktischen Vorgehen, und auch die einschlägigen Gerichtsurteile hierzu sind widersprüchlich. Im Folgenden sollen die juristischen Grundlagen und aktuellen Gerichtsurteile zur Zwangsbehandlung nach dem Betreuungsrecht referiert und die sich daraus für die psychiatrische Praxis ergebenden Konsequenzen diskutiert werden.

Literatur

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  • 19 Deutscher Bundestag. 11. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz - BtG). Drucksache 11/4528 vom 11.05.1989. Bonn: Verlag Hans Heger, 1989. 
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  • 21 Marschner R . Zwangsbehandlung in der ambulanten und stationären Psychiatrie.  Recht & Psychiatrie. 2005;  23 47-51
  • 22 Frasch K . Kilian R . Neumann N-U . Falkenbach M . Das neue Betreuungsrecht (2. Betreuungsänderungsgesetz) Stand der Diskussion.  Psychiat Prax. 2005;  32 42-47
  • 23 Finzen H . Haug H.-J . Beck A . Lüthy D . Hilfe wider Willen. Zwangsmedikation im psychiatrischen Alltag. Bonn: Psychiatrie-Verlag, 1993. 
  • 24 Kebbel J . Pörksen N . Aktion Psychisch Kranke (Hrsg). Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie. Tagungsberichte Band 25. Köln: Rheinland-Verlag, 1998. 
  • 25 Ketelsen R . Schulz M . Zechert C . Seelische Krise und Aggressivität. Der Umgang mit Deeskalation und Zwang. Bonn: Psychiatrie-Verlag, 2004. 

PD Dr. Andreas Thiel

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Diakoniekrankenhaus Rotenburg

Elise-Averdieck-Straße 17

27356 Rotenburg

Email: Thiel@Diako-online.de