Der Klinikarzt 2006; 35(4): 131
DOI: 10.1055/s-2006-942072
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sparen im Gesundheitswesen - Hilft das IQWIG?

A. Weizel
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Publication Date:
10 May 2006 (online)

Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser. Dieser Grundsatz gilt heutzutage auch zunehmend in der Medizin. Die Zeiten, in denen zum Beispiel das Verordnungsverhalten, insbesondere der niedergelassenen Kollegen, von der persönlichen Erfahrung bestimmt war, sind lange vorbei. Immer häufiger sind es vor allem finanzielle Gesichtspunkte, die unsere Wahl von Wirkstoff und Präparat bestimmen, auch in der Klinik! Nun wurde diese Kontrolle institutionalisiert und zwar durch die Gründung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Mit 60 Mitarbeitern und einem Etat von elf Millionen Euro soll dieses Institut „unabhängige und verlässliche, dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechende und zudem anschauliche Gesundheitsinformationen für Bürger und Patienten liefern”, so die eigenen Angaben auf der Internetseite (www.iqwig.de).

Im ersten Jahr seines Bestehens hat sich das IQWIG die Überprüfung der Therapie mit Insulinanaloga, Knie-Totalendoprothesen und der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen vorgenommen. Bei der Prüfung der Statine kam das Institut zu dem Schluss: „Eine weitere Auswertung zeigte keinen Zusammenhang zwischen der Stärke der Cholesterinsenkung ('LDL-Cholesterin') und dem Risiko von Herzinfarkten oder Todesfällen.” Diese Aussage, die bisher nur auf der Internetseite des Instituts zur Verfügung steht, hat die Ärzteschaft und auch die Patienten massiv verunsichert. Welche Methoden das Institut bei seiner Untersuchung angewandt hat, legt es jedoch nicht offen. Auch in keiner wissenschaftlichen Zeitung, in der eine Beurteilung durch Kollegen vor der Publikation erfolgte, wurden die Ergebnisse bisher veröffentlicht.

Dies verwundert nicht, denn die Befunde widersprechen allen Ergebnissen der neueren medizinischen Forschung. So zeigt zum Beispiel eine aktuelle Metaanalyse von 14 Statinstudien mit über 90000 Teilnehmern (Lancet 2005; 294: 2437-2445) unter der Therapie mit Statinen eine Reduktion von Morbidität und Mortalität kardiovaskulär erkrankter Patienten. Schon eine Senkung des LDL-Cholesterins um nur 1 mmol oder 40 mg/ml mithilfe von Statinen verringerte den kombinierten Endpunkt 'erstes großes koronares Ereignis, Schlaganfall oder koronare Vaskularisation' um 21 %. Neben diesen klinischen Endpunktstudien haben auch zahlreiche Untersuchungen mit Surrogatparametern wie Intima-Media-Dicke oder einer Messung des Plaquevolumens positive Einflüsse auf den Verlauf der Atherosklerose dokumentiert: Die Plaques retardierten, zum Teil bildeten sie sich sogar zurück. Sämtliche kardiovaskulär ausgerichteten Fachgesellschaften weltweit - angefangen von der „American Heart Association” (AHA) bis hin zur Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) - empfehlen aufgrund dieser Daten die Reduktion des LDL-Cholesterins als Basistherapie bei einer koronaren Herzerkrankung (KHK).

Die davon abweichenden Empfehlungen des IQWIG sind nur mit dem von der Regierung verordneten Sparzwang zu erklären. Denn die Statintherapie ist teuer: Reduziert man die Zahl der Verordnungen, lässt sich viel Geld sparen. Dagegen ist nichts zu sagen. Die Konsequenz daraus darf aber nicht sein, den Wert der Behandlung mit Statinen grundsätzlich anzuzweifeln. Vielmehr sollten in Anbetracht der begrenzten Ressourcen nur die Patienten behandelt werden, bei denen aufgrund evidenzbasierter Daten ein Nutzen zu erwarten ist. Dies trifft zu für Patienten mit bestehender koronarer Herzerkrankung sowie für Diabetiker. Ein Ausschluss dieser Patienten von der Therapie ist wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen.

Um es zum Schluss noch einmal ganz klar zu formulieren: Niemand wehrt sich gegen eine wissenschaftliche Diskussion. Die Art jedoch, nach der das IQWIG seine Ergebnisse präsentiert, sind keine Basis für eine solche Auseinandersetzung!

Prof. Dr. A. Weizel

Mannheim

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