Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(5): 334-339
DOI: 10.1055/s-2006-944429
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Perioperative Medikation und anästhesiologisches Management

Der kardiale RisikopatientPreoperative Identification of cardiac risk patients and perioperative management AbstractBerthold Bein, Peter H. Tonner
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Publication Date:
19 May 2006 (online)

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Die Inzidenz der koronaren Herzerkrankung nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Entscheidend für eine Risikomodifikation ist die Identifizierung des gefährdeten Patientenkollektivs. Daneben ist vor allem die Risikomodifikation bei gefährdeten Patienten wichtigste Aufgabe des Anästhesisten. Der Artikel gibt einen Überblick über die aktuelle Datenlage bei der Anästhesie für Risikopatienten mit koronarer Herzkrankheit.

The demographic trend challenges anaesthesiologists with a growing number of elderly requiring surgery. The anaesthetist needs to identify risk patients and to optimize his strategies for perioperative management. The present article gathers the current data and summarizes effective strategies for anaesthesia in patients with ischemic heart disease.

Kernaussagen

  • Wichtige Einflussfaktoren im perioperativen Management kardialer Risikopatienten sind Sauerstofftransportkapazität, Körpertemperatur, Hämodynamik, Anästhesieverfahren und pharmakologische Ischämieprävention.

  • Die perioperative Gabe von -Rezeptoren-Blockern muss differenziert gesehen werden:

    • Bei Patienten ohne oder mit nur einem Risikofaktor ist die Therapie mit -Blockern nach derzeitiger Datenlage nicht indiziert.

    • Patienten mit zwei und mehr Risikofaktoren profitieren von der perioperativen Verabreichung eines -Blockers.

  • Evidenzbasierte Daten bezüglich der Bevorzugung eines bestimmten -Blockers existieren nicht. Ob eine Kombinationstherapie mit a2-Adrenozeptoragonisten sinnvoll ist, ist noch unklar. Hier sind auch die Nebenwirkungen beider Substanzklassen zu berücksichtigen.

  • Idealerweise sollte eine Therapie möglichst lange (Tage bzw. Wochen) vor dem geplanten Eingriff begonnen werden (ist praktisch häufig nicht möglich); andererseits ist auch eine erst am OP-Tag begonnene Therapie als effektiv beschrieben worden. Die Therapie sollte wenigstens bis zur Krankenhausentlassung fortgeführt werden, das Absetzen muss ausschleichend erfolgen.

  • Statine vermindern möglicherweise die perioperative Mortalität (antiinflammatorische, antithrombotische, antiproliferative Wirkung), sind aber noch zu wenig untersucht.

  • Bei Kalziumantagonisten hängt der protektive Effekt stark vom Wirkstoff ab:

    • Nifedipin ist bei kardialen Risikopatienten kontraindiziert, da es die Rate von ischämischen Ereignissen und Herzrhythmusstörungen erhöht.

    • Benzothiazepin-Derivate zeigen dagegen eine positive Wirkung.

  • Für Nitrate liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor.

  • Die Routinegabe von ASS ist bei kardialen Risikopatienten derzeit nicht praktikabel, da ASS aus Sorge um eine erhöhte intraoperative Blutungsneigung präoperativ abgesetzt wird.

  • Eine Revaskularisierung sollte nur bei einem positiven Belastungstests diskutiert werden (z.B. auf Grund eines schlechten funktionellen Status bei Angina pectoris oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (paVK) in der Anamnese) .

  • Die Indikation zur Messung des Herzzeitvolumens sollte im Zweifelsfall großzügig gestellt werden.

  • Ischämiemonitoring mittels EKG ist obligat (idealerweise 5-Kanal, mindestens aber Ableitungen II und V5).

  • Ob Patienten mit erhöhtem kardialem Risiko von der intraoperativen thorakalen Epiduralanästhesie profitieren, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Literaturverzeichnis

PD Dr. med. Berthold Bein

Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Er hat zum Thema Anästhesiologisches Monitoring und Management bei kardiovaskulören Risikopatienten habilitiert.

Email: bein@anaesthesie.uni-kiel.de

Prof. Dr. med. Peter H. Tonner

stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, und Mitglied im Editorial Board von BMC Anesthesiology.

Email: tonner@anaesthesie.uni-kiel.de