Neuropediatrics 2006; 210 - P58
DOI: 10.1055/s-2006-946414

Haben die postnatal anhaltend hohen Konzentrationen der Fetalzonensteroide eine klinische Bedeutung?

B Kampschulte 1, SA Wudy 2, M Hartmann 2, H Gack 1, RH Bödeker 3, L Gortner 4, M Heckmann 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Gießen
  • 2Steroidlabor des Zentrums für Kinderheilkunde, Gießen
  • 3Institut für Medizinische Statistik, Gießen
  • 4Zentrum für Pädiatrie und Jugendmedizin, Homburg/Saar, D

Hintergrund: Bei Frühgeborenen (FG) hält die Aktivität der Fetalzone der Nebennierenrinde auch postnatal bis zum eigentlichen Geburtstermin an. Das Hauptprodukt der Fetalzone Dehydroepiandrosteronsulfat hemmt in vitro die Surfactantsynthese in fetalem Lungengewebe. Die Inzidenz pulmonaler Erkrankungen ist bei männlichen FG höher als bei weiblichen.

Fragestellung: Besteht bei FG ein Zusammenhang zwischen den Ausscheidungsraten der Fetalzonensteroide (FS) im Urin (3-beta-OH-5-en-Steroide) und dem Schweregrad pulmonaler Erkrankungen unter Berücksichtigung des Geschlechts? Zusätzlich soll der Einfluss der Schwere der Erkrankung und einer konnatalen Infektion untersucht werden.

Methoden: 30 weibliche (Median (Range) 28.0 (26.6–28.7) SSW) und 31 männliche FG (27.0 (25.9–28.6) SSW) wurden in die prospektive Studie aufgenommen. FS wurden mittels Gaschromatographie-Massenspektometrie aus 24h-Sammelurinproben bestimmt. Die totalen Exkretionsraten wurden als Summe der Exkretionsraten von 15 Metaboliten der Fetalzone ermittelt. Die Urinproben wurden aus reinen Zellulosewindeln durch hydraulische Extraktion nicht invasiv gewonnen. Die Schwere der Erkrankung wurde mittels Score for Neonatal Acute Physiology (SNAP) gemessen.

Ergebnisse: Die Inzidenz eines surfactantpflichtigen Atemnotsyndroms (ANS), betrug bei den weiblichen FG 47%, bei den männlichen 71%, p=0.07. Die Inzidenz einer BPD lag bei den weiblichen FG bei 27%, bei den männlichen bei 48%, p=0.11. Die Mediane der Exkretionsraten der FS (mg/kg/d) waren bei den weiblichen (männlichen) FG an Tag1: 1.3 (0.9); an Tag2: 3.2 (7.7), p=0.03; an Tag3: 5.5 (9.5), p=0.08; Tag5: 7.1 (10.4); Woche2: 8.7 (9.7); Woche3: 8.6 (10.1); Woche4: 7.6 (7.8). Die maximalen FS-Ausscheidungsraten oder das Geschlecht zeigten keinen signifikanten Einfluss auf die Inzidenz eines surfactantpflichtigen ANS in der Regressionsanalyse. Lediglich die maximalen Glucocorticoidausscheidungsraten zeigten einen leichten, jedoch signifikanten Einfluss (OR=1.02, p=0.036). Es bestand kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Ausscheidungsraten der FS und einer konnatalen Infektion oder der Schwere der Erkrankung (SNAP).

Schlussfolgerung: Die Exkretionsraten der FS lagen um das 4fache höher als bisher berichtet. Dies spricht für eine postnatal anhaltend hohe Aktivität der Fetalzone der Nebennierenrinde bei FG. Die Exkretionsraten der FS lagen am 2. Lebenstag bei männlichen FG signifikant und tendenziell an Tag 3 um den Faktor 1,8–2,2höher als bei weiblichen, hatten jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die Inzidenz eines ANS. Gefördert durch die DFG (HE3557/1–1) an M.H. und S.A.W.