Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(34/35): 1880-1881
DOI: 10.1055/s-2006-949176
Korrrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut: immun-vermittelter Mechanismus? Zuschrift Nr. 2

Zum Beitrag aus DMW 21/2006R. Teschke
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Publication Date:
17 August 2006 (online)

Zuschrift Nr. 2

Der von den Kollegen Musch, Chrissafidou und Malek vorgestellte Fallbericht [10] ist interessant, lehrreich und wegen seiner Komplexität kommentierungswürdig zugleich:

1. Der Titel der Arbeit impliziert, dass bei der vorgestellten Patientin eine akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut hervorgerufen wurde, wobei ein immun-vermittelter Mechanismus für möglich erachtet wurde. Die Patientin hat jedoch überhaupt kein Kava-Kava eingenommen: Das angegebene pharmazeutische Präparat enthält keinen pflanzlichen Kava-Kava-Extrakt, sondern lediglich das synthetische D,L-Kavain.

2. Auf eine weitere Ungereimtheit machen die Autoren selbst aufmerksam, denn trotz Absetzens von Kava-Kava (richtig ist: D,L-Kavain) steigen die Transaminasen nachfolgend für 2 Wochen weiter erheblich an. Diese Befunde sind mit der Annahme kompatibel, dass D,L-Kavain nicht in direktem kausalen Zusammenhang mit der aufgetretenen Hepatitis zu sehen ist. Im Übrigen ist eine Hepatotoxizität durch D,L-Kavain bisher nicht belegt, und der jetzige Fallbericht unterstützt diese Auffassung.

3. Es bleibt die Frage, ob und welches der zahlreich komedizierten Präparate die Leberschädigung hätte auslösen können. Hierzu fehlen allerdings Angaben in dem Fallbericht, wie lange die einzelnen Präparate noch eingenommen wurden, so dass weder eine temporäre noch eine kausale Assoziation hergestellt werden kann. Hepatotoxizität ist in Einzelfällen für Baldrian als möglich angesehen worden [3] [7] [9], nicht jedoch für das Johanniskraut, Zopiclon oder das eingenommene Phytoöstrogen mit Soja-Isoflavonen, natürlichem Vitamin E, Vitamin C, D, B1, B2, B3, B6, B12, Pantothensäure, Folsäure, Biotin, Eisen, Zink und Lecithin. In dem vorliegenden Fallbericht kann bei nicht durchgeführten toxikologischen Untersuchungen eine andere toxische Ursache der Lebererkrankung weder sicher ausgeschlossen noch eindeutig belegt werden.

4. Die Laborwerte der Patientin sind lückenhaft dargestellt, insbesondere fehlen sie für eine genaue Kausalitätsbeurteilung während der stationären Behandlungen. Für den ersten Aufenthalt gibt es Befunde nur in der Woche 3 und 5, nicht aber dazwischen. Ähnliches gilt für den zweiten Aufenthalt mit angegebenen Werten in der Woche 6 und 9.

5. Bemerkenswert ist die Behandlung einer vermuteten medikamentös-toxischen Lebererkrankung durch eine 2-wöchige Dauerinfusion mit Zusätzen hepatoprotektiver Medikamente wie Ornithinaspartat, Multivitamin, Vitamin E, C und Gabe von Silymarin. Diese Therapie hat für diese spezielle Indikation in der wissenschaftlichen Literatur bisher noch keinen Eingang gefunden. Die letztendlich durchgeführte immunsuppressive Therapie unter Einschluss von Azathioprin ist sicher erklärungsbedürftig, da diese Substanz erst nach vielen Wochen Wirkung zeigt. Auch diese Therapie hat bisher noch keinen Eingang in die Fachliteratur gefunden. Der Hinweis der Autoren, dass unter der immunsuppressiven Behandlung sich die Transaminasen bereits nach 3 Wochen normalisiert hätten, erweckt den Eindruck, dass dieser Erfolg der Behandlung zuzuschreiben ist. Richtig ist, dass die Transaminasen bereits vor Beginn der immunsuppressiven Therapie erheblich zurückgegangen sind. Die von den Autoren dargelegten Daten ergeben keinerlei Hinweise für eine immunvermittelte Ursache der beobachteten Lebererkrankung. Auch die beschriebene T-Zell-Aktivierung und ein erhöhter Wert für das Neopterin sind als unspezifische Parameter zu sehen.

6. Die detallierte Diskussion bezüglich Zytochrom P 450 ist in diesem Fallbericht irrelevant, da D, L-Kavain keine inhibitorische Eigenschaft bezüglich der verschiedenen Isoenzyme aufweist [8] [12].

Die von den Autoren angesprochene allgemeine Thematik der Hepatotoxizität durch Kava-Kava ist interessant und offen für Diskussionen [2] [4] [5] [6] [11] [14] [15], wenngleich der jetzige Fall keinen Bezug hierzu hat. Dies unterscheidet ihn von dem 1998 in der DMW von Strahl et al. [13] publizierten Fallbericht einer durch Reexposition gesicherten Leberschädigung durch Kava-Kava, der als einziger Fall in der Weltliteratur mit einer gesicherten Kausalität bei normaler Dosierung von Kava-Kava belegt ist [11]. Darüber hinaus gibt es zwei Fälle bei Überdosierung durch Kava-Kava, die eine wahrscheinliche Kausalität aufzeigen. Viele andere Fälle sind entweder durch Komedikation erklärt oder infolge unzureichender Dokumentation nicht beurteilbar [11]. Dies zeigt, dass Kava-Kava-Extrakte wie viele andere pflanzliche Mittel und chemisch-definierte Arzneimittel in seltenen Fällen eine Leberschädigung hervorrufen können. Auch unter diesen Gesichtspunkten sollte eine medikamentöse Polytherapie wie bei der Patientin jetzt beschrieben nicht gutgeheißen werden.

Literatur

  • 1 Block K I, Gyllenhaal C, Mead M N. Safety and efficacy of herbal sedatives in cancer care.  Intergrative Cancer Therapies. 2004;  3 128-148
  • 2 Clouatre D L. Kava kava: examining new reports of toxicity.  Toxicol Lett. 2004;  150 85-96
  • 3 Kaplowitz N. Hepatotoxicity of herbal remedies: insights into the intricacies of plant-animal warfare and cell death.  Gastroenterology. 1997;  113 1408-1412
  • 4 Loew D. Kava-kava.  Z Phytotherapie. 2002;  23 267-281
  • 5 Loew D. Widerruf der Zulassung von Kava-Extrakten.  Dtsch Apoth Ztg. 2005;  145 5362-5364
  • 6 Loew D, Franz G. Quality aspects of traditional and industrial kava extracts.  Phytomedicine. 2003;  10 610-612
  • 7 MacGregor F B, Abernethy V E, Dahabra S, Cobden I, Hayes P C. Hepatotoxicity of herbal remedies.  Brit Med J. 1989;  299 1156-1157
  • 8 Mathews J M, Etheridge A S, Black S R. Inhibition of human cytochrome P450 activities by kava extract and kava lactones.  Drug Met Disp. 2002;  30 1153-1157
  • 9 Mullin M E, Horrowitz B Z. The case of the salad shooters: intravenous injection of wild lettuce extract.  Vet Hum Toxicol. 1998;  40 290-291
  • 10 Musch E, Chrissafidou A, Malek M. Akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut: immun-vermittelter Mechanismus?.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 1214-1217
  • 11 Schmidt M. Is kava really hepatotoxic?. http: // www.uni-muenster.de/Chemie/ PB/allg_Infos/Kava/page11581.html
  • 12 Singh Y N. Potential for interaction of kava and St. John’s wort with drugs.  J Ethnopharmacol. 2005;  100 108-113
  • 13 Strahl S, Ehret V, Dahm H H, Maier K P. Nekrotisierende Hepatitis nach Einnahme pflanzlicher Mittel.  Dtsch Med Wochenschr. 1998;  123 1410-1414
  • 14 Teschke R. Kava-induzierte Leberschäden: Was ist gesichert?.  Dtsch Apoth Ztg. 2003;  143 4011-4021
  • 15 Teschke R, Gaus W, Loew D. Kava extracts: safety and risks including rare hepatotoxicity.  Phytomedicine. 2003;  10 440-446

Prof. Dr. med. R. Teschke

Medizinische Klinik II, Lehrkrankenhaus der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Klinikum Stadt Hanau

Leimenstraße 20

63450 Hanau

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