Rofo 2006; 178(9): 926-927
DOI: 10.1055/s-2006-950486
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Zeitpunkt und Umfang der ärztlichen Aufklärung vor Kontrastmittelinjektionen

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Publication Date:
05 September 2006 (online)

 

Für viele radiologische Untersuchungsverfahren ist die Gabe eines Kontrastmittels erforderlich, um das zu untersuchende Organ besser oder überhaupt sichtbar zu machen. Je nach zu untersuchendem Organ oder Untersuchungsmethode kommen verschiedene Kontrastmittel zur Anwendung. Kontrastmittelarten sind z.B.:

Luft/Kohlendioxid-Kohlensäure, bariumhaltige, breiige Kontrastmittel, Ultraschallkontrastmittel, Kontrastmittel zur Injektion in Gefäße oder Organstrukturen.

Bei iodhaltigen Kontrastmitteln können Nebenwirkungen dosisunabhängig in Form von anaphylaktoiden Reaktionen oder dosisabhängig als chemisch-toxische oder osmotische Effekte auftreten. Das Spektrum der anaphylaktoiden Reaktionen reicht von Urtikaria über den Bronchspasmus bis zum Kollaps oder Herzstillstand. Dosisabhängige Nebenwirkungen sind:

Hitzegefühl, Kreislaufdepression, Nierenfunktionseinschränkungen, neurotoxische Effekte.

(vgl. Bücheler, Lackner, Thelen, Einführung in die Radiologie, 11. Aufl. 2006, S. 38).

(Aufgrund der nicht unerheblichen Nebenwirkungen, die auftreten können, müssen Kontrastmittelapplikationen immer vom Arzt vorgenommen werden, und er muss während der Untersuchung persönlich anwesend sein. Vor Durchführung der Untersuchung und der Kontrastmittelinjektion muss der Radiologe mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch führen. Welchen Inhalt dieses Gespräch haben muss und wann es zu erfolgen hat, haben wir im folgenden anhand konkreter Fragen und Antworten für den Leser zusammengestellt:

1. Darf über die Notwendigkeit sowie über die Nebenwirkungen einer Injektion von Röntgenkontrastmitteln jeder approbierte Arzt aufklären oder ist dies ausschließlich Sache des Radiologen, der dann die Injektion vornimmt?

Die Aufklärungspflicht trifft grundsätzlich den behandelnden Arzt, da sie einen wesentlichen Teil des Gesprächs zwischen Arzt und Patient bildet und somit zur Behandlung gehört (vgl. hierzu und zum Folgenden: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn 1 ff.). Eine Delegation an einen anderen Arzt wirkt für den behandelnden Arzt nur befreiend, wenn klare, stichprobenweise kontrollierte Organisationsanweisungen und kein Anlass zu Zweifeln an der Qualifikation des bestellten Arztes bestehen! (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.03.2997, Az. 13 U 42/96 = NJW-RR 1998, 459 (461). Dieser muss die erforderliche Sachkunde aufweisen, damit die notwendige Information für den Patienten voll gewährleistet ist, (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 05.05.1997, Az. 4 U 170/96 = VersR 1998, 1025). Eine Delegation an Hilfspersonen des Arztes, etwa Pfleger, ist unzulässig. Bei schweren Eingriffen, insbesondere Operationen, die der Entschlusskraft des Kranken viel abverlangen, wird der den Eingriff vornehmende Arzt die gebotene Unterredung selbst zu führen haben. Der aufklärungspflichtige Arzt kann sich nicht darauf verlassen, dass der einweisende Hausarzt oder der vorbehandelnde Kollege dem Patienten die erforderlichen Informationen vermittelte; er bleibt dafür beweisbelastet.

2. Zu welchem Zeitpunkt vor der Injektion des Röntgenkontrastmittels muss die Aufklärung über die Nebenwirkungen der Kontrastmittelgabe vorgenommen werden? Reicht die Aufklärung unmittelbar vor der Untersuchung im Vorbereitungsraum aus, oder sollte der Patient eine Bedenkzeit von mindestens 24 h bis zur Kontrastmittelgabe vor der Untersuchung haben?

Die Aufklärung des Patienten muss unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Umfangs des geplanten Eingriffs so rechtzeitig erfolgen, dass er durch hinreichende Abwägung der Gründe, die für und gegen den Eingriff sprechen, seine Entscheidungsfreiheit in angemessener Weise wahren kann. Grundsätzlich darf die Aufklärung nicht später als am Tage vor dem Eingriff erfolgen, um den Patienten nicht unter Entscheidungsdruck zu setzen. Hiervon abweichend kann bei ambulanten oder diagnostischen Eingriffen eine Aufklärung am Tag des Eingriffs ausreichen. In solchen Fällen muss jedoch dem Patienten, im Zusammenhang mit der Aufklärung über die Art des Eingriffs und seine Risiken, auch vom Ablauf her verdeutlicht werden, dass ihm eine eigenständige Entscheidung darüber überlassen bleibt, ob er den Eingriff durchführen lassen will. Dies ist nicht der Fall, wenn die Aufklärung erst so unmittelbar vor dem Eingriff erfolgt, dass der Patient schon während der Aufklärung mit einer sich nahtlos anschließenden Durchführung des Eingriffs rechnen muss und deshalb unter dem Eindruck steht, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können (BGH, Urteil vom 14.1.1995, Az. VI ZR 359/94 = NJW 1996, 777 (779)). Für die Durchführung einer Myelographie hat der BGH durch das zitierte Urteil sowie das Urteil vom 04.04.1995, Az. VI ZR 95/94 = NJW 1995, 2410 (2411) entschieden, dass eine der Untersuchung unmittelbar vorausgehende Aufklärung nicht rechtzeitig gewesen ist.

3. Wäre eine so genannte "Vorab-Aufklärung", entsprechend den gängigen Informationsbögen (z.B. für die CT-Untersuchung mit Röntgenkontrastmitteln), seitens der Überweiser (Internisten, Chirurgen usw.) mit anschließender nochmaliger und endgültiger Aufklärung durch den die Untersuchung vornehmenden Radiologen unmittelbar vor der Untersuchung aus juristischer Sicht ausreichend oder nicht?

Eine bloße Formularaufklärung ohne Aufklärungsgespräch ist nicht ausreichend (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 178). Somit gelten die in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 angeführten Erläuterungen zur Delegation und zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs entsprechend auch bei zusätzlicher Verwendung eines Informationsbogens.

Abschließend ist daher festzuhalten, dass eine entsprechend qualifizierte Aufklärung so rechtzeitig erfolgen muss, dass der Patient tatsächlich ohne Druck entscheiden kann, er sich ggf. mit einer Person seines Vertrauens besprechen kann und ihm die notwendige Bedenkzeit eingeräumt wird. Dies gilt auch für diagnostische Maßnahmen wie die CT-Untersuchung mit Kontrastmitteln. Eine erstmalige Aufklärung im Vorbereitungsraum der Untersuchung dürfte den zeitlichen Voraussetzungen daher nicht gerecht werden.

Entspricht die Aufklärung den inhaltlichen und qualitativen Anforderungen und verlangt der Patient nach angemessener Überlegenszeit, noch bereits am Tage der Aufklärung untersucht zu werden, um daraufhin bei entsprechendem Ergebnis aus dem Krankenhaus entlassen werden zu können, so kann die Entscheidungsfreiheit des Patienten gewahrt sein. Nach Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Auflage 1999, Rn 412 a soll es in den Fällen ambulanter Operationen und diagnostischer Eingriffe unter Hinweis auf das Urteil des OLG Oldenburg vom 25.03.1997, Az. 5 U 184/95 = VersR 1998, 769, ausreichen, wenn der Arzt dem Patienten durch einen aufrichtig artikulierten Hinweis, dass er nicht unter Zeitdruck stehe, die freie Entscheidung lässt, auf eine längere Bedenkzeit zu verzichten. Ein solcher Verzicht sollte aus Beweisgründen entsprechend dokumentiert werden. Eine ausdrückliche Zustimmung zu dieser Judikatur des OLG Oldenburg seitens des BGH liegt allerdings noch nicht vor.

Rechtsanwälte Wigge & Kleinke

Dr. Peter Wigge

Fachanwalt für Medizinrecht

48151 Münster

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