Einleitung: Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) stellt eine Krankheitsentität (Inzidenz 0.6–1.9
auf 100.000 Einwohner) dar, die durch eine akute, meist postinfektiös auftretende
Polyneuritis mit multifokaler Demyelinisierung im peripheren Nervensystem gekennzeichnet
ist. Meist imponiert sie mit symmetrischen aufsteigenden Paresen mit z.T. erloschenen
Muskeleigenreflexen. In 35–50% liegt eine Hirnnervenbeteiligung, in 20–25% eine respiratorische
Insuffizienz mit vegetativen Symptomen vor. Die Pseudoobstruktion des Kolon als Komplikation
des GBS ist bekannt, tritt allerdings in weniger als 10% der Fälle auf.
Patient und Verlauf: Vorgestellt wurde uns ein 68-jähriger Mann auf der neurologischen Intensivstation,
der im Anschluss an einen schweren grippalen Infekt das Vollbild eines therapierefraktären
GBS mit schlaffer Tetraparese, bulbärer Symptomatik und respiratorischer Insuffizienz
entwickelt hatte. Zeitgleich war es zur massiven Dilatation des gesamten Kolonrahmens
im Sinne einer Pseudoobstruktion gekommen (coecaler Durchmesser: 11cm), die intermittierend
mittels kolonoskopischer Dekompression und Legen von Darmrohren behandelt wurde. Bei
der klinischen Untersuchung zeigte sich ein akutes Abdomen mit generalisierter Abwehrspannung,
radiologischerseits war bereits freie Luft nachgewiesen worden.
Ergebnisse: Es erfolgte die notfallmäßige Laparotomie. Intraoperativ zeigte sich die vorbekannte
Pseudoobstruktion des Kolon mit frischer coecaler Perforation, ein mechanisches Passagehindernis
konnte ausgeschlossen werden. Es erfolgte die Anlage einer Kolostomie zur weiteren
Dekompressionstherapie, die im weiteren Verlauf eine deutliche Entlastung des gestauten
Dickdarms bewirkte. Eine systemische Behandlung mit Neostigmin wurde eingeleitet.
Schlussfolgerung: Das GBS kann mit einer Pseudoobstruktion des Kolons einhergehen. Die primäre Behandlung
der Pseudoobstruktion ist konservativ und besteht in der systemischen Neostigmingabe
mit kolonoskopischer Dekompression. Übersteigt der coecale Durchmesser 12cm steigt
das Perforationsrisiko stark an. Da die Mortalitätsrate bis zu 40% betragen kann ist
ein chirurgisches Vorgehen zu diskutieren.